[…] Phönizier, Römer, Byzantiner, Araber, Westgoten, Berber und schließlich Portugiesen übten wechselseitig die Kontrolle über den kleinen, heute 18,5 Quadratkilometer großen Felsvorsprung an der Straße von Gibraltar aus, ehe Ceuta 1668 endgültig an die Spanier fiel. Da die Stadt nie Teil des spanischen Protektorats in Marokko, sondern stets direkt Spaniens Regierung unterstellt war, blieb sie auch nach Marokkos Unabhängigkeit im Jahr 1956 spanisch. Heute bildet Ceuta gemeinsam mit dem einige hundert Kilometer weiter östlich gelegenen Melilla und dem Spezialfall Peñón de Vélez de la Gomera (siehe Facebook-Post) die einzigen Flecken EU-Boden auf dem afrikanischen Kontinent.

Immer wieder beanspruchte Marokko die Hoheit über die beiden spanischen Exklaven, sämtliche Versuche stießen aber auf wenig Gehör jenseits der 21 Kilometer breiten Wasserstraße. […]

Abschottung

Richtig bekannt wurde die Exklave allerdings erst mit der Errichtung des 8,3 Kilometer langen Grenzzauns im Jahr 1993. Dieser wurde 2005 auf sechs Meter Höhe verdoppelt, nachdem es immer wieder zu Versuchen irregulärer Grenzübertritte gekommen war. Der mit Stacheldraht versehene Zaun hinderte immer wieder Menschen – vor allem aus dem Subsahara-Afrika – am Betreten von Ceuta, über die Jahre schafften es dennoch mehrere tausend Menschen. Kaum eine Grenze ist unüberwindbar. Und wer EU-Boden betritt, hat das Recht einen Asylantrag zu stellen. […]

Nun ist der Zaun alles andere als unumstritten, besonders in Spanien. Immer wieder haben sich Aktivisten und Menschenrechtsorganisationen, aber auch Politiker bis hin zum Premierminister für dessen Niederreißen eingesetzt. Besonders interessant beim Verlauf des Grenzzauns: Er soll an mehreren Stellen nicht der tatsächlichen Grenzziehung entsprechen, sodass viele Flüchtende bereits spanischen Boden erreicht haben, wenn sie den Zaun lediglich berühren, was von der Guardia Civil aber ignoriert wird. Wer einmal am Grenzzaun in Ceuta war, spürt schnell, dass hier zumeist nur ein Recht zählt: das des Stärkeren.

Wo das Chaos regiert

Ceuta ist auch ein riesiger Umschlagplatz für Schmuggelware. Schmuggel, der einerseits nur deshalb illegal ist, weil durch die europäische Grenzziehung lokaler Handel ab einem bestimmten Zeitpunkt transnational und später kriminalisiert wurde. Sofern er nämlich nicht in geordneten Bahnen stattfindet, kann der spanische Fiskus nicht davon profitieren.

Diese geordneten, legalen Bahnen existieren auch in Ceuta für einige Marokkanerinnnen und Marokkaner, die in den zwei großen marokkanischen Städten nahe Ceuta leben. Regelmäßig dürfen sie nach Ceuta einreisen, um Waren für den Export nach Marokko zu erwerben. Tatsächlich resultiert dies oft in chaotischen Zuständen. Tausende stehen jeden Morgen vor den Grenzwachbeamten und versuchen am streng-schauenden Guardia-Civil-Offizier vorbeizukommen. Es liegt ein permanentes und bedrückendes Summen in der Luft. Immer schreit jemand, immer bewegt sich etwas.

Immer wieder fliegt dabei ein Päckchen oder ein Autoreifen durch die Gegend – Menschen springen über Trennvorrichtungen, um zumindest einen der zahlreichen marokkanischen Grenzpolizisten zu überwinden. Verhaftungen wegen falscher Identitätsausweise kommen immer wieder vor. Scheinbar willkürliche Ablehnungen von Ein- und Ausreiseanträgen sowieso. […]

derStandard | 28.04.2019

„18,5 Quadratkilometer EU-Boden in Afrika: Das Grenzspektakel von Ceuta“