Am späten Dienstagnachmittag (10.12.2019) haben laut Internetportal „Maliactu“ 500 Personen die strategisch gelegene Militärbasis Inates im Niger angegriffen. Sie stürmten auf Motorrädern und in Fahrzeugkolonnen aus drei Richtungen heran. Im Laufe von drei Stunden brachten sie 71 nigrische Soldaten um, 30 weitere Soldaten sind vermisst, 12 wurden später verletzt aufgefunden. Die Angreifer erbeuteten zahlreiche Waffen und zerstörten vollständig die Militärbasis. Sechs Stunden später erreichte die Meldung vom Angriff die nächstgelegene 80 km entfernte Militärstation. Es handelt sich um den größten Angriff auf das nigrische Militär seit der Unabhängigkeit des Landes.

Inates liegt im Dreiländereck Niger – Mali – Burkina Faso, das von den drei Staaten weitgehend aufgegeben wurde.

Das nigrische Militär gilt als kampfstark und gut organisiert, im Unterschied zum malischen und burkinabesischen Militär. Die in der Region um Inates stationierten nigrischen Soldaten sollen von US-amerikanischem Militär fortgebildet sein. In den meisten Berichten wird großes Erstaunen darüber geäußert, dass ein solcher Massenangriff unerkannt vorbereitet und durchgeführt werden konnte, da die Region sowohl durch Drohnen wie auch durch elektronische Mittel dicht überwacht wird.

Der IS hat sich für den Anschlag verantwortlich erklärt, aber Medien vor Ort sprechen von einem möglichen „Konsortium“ von mindestens sechs unterschiedlichen Gruppen, denn nur ein Zusammenschluss könnte einen solch massiven Angriff durchführen.

Der nigrische Präsident Mahamadou Issoufou, der kürzlich versucht hat, das touareg-kontrollierte Nordmali mit militärischen Drohungen zu destabilisieren, befand sich während des Angriffs in Ägypten auf einer Antiterrorismus-Konferenz. Er gilt als starker Mann des Sahel und ist für die deutsche wie auch für die italienische Regierung der wichtigste Ansprechpartner für die vorverlagerte Migrationsbekämpfung.

Am Abend des Anschlags nahm der burkinabesische Präsident Roch Marc Christian Kaboré in einer TV-Erklärung kritisch gegen Macrons Sahel-Politik Stellung. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte die fünf Staatschefs des Sahel nach Paris „vorgeladen“ („convoqué“ – und nicht „eingeladen“), um nach mehrfachen antifranzösischen Äußerungen eine Bestätigung zu erhalten, dass die Kampfeinsätze französischer Truppen im Sahel doch erwünscht seien. Am Anschlagsabend gab der burkinabesische Präsident Kaboré kund, dass „Respekt“ nötig sei und die Art des Vorladens ein „Problem“ darstelle. Macron sagte das Treffen in Paris kurzerhand ab bzw. möchte es auf Januar verschoben wissen.

Kurzum: Der durchorganisierte Angriff von 500 Personen auf eine strategische Militärbasis war wohl nur möglich, weil es einen starken Rückhalt in der Bevölkerung gibt, weil bewaffnete Gruppen existieren und weil es möglicherweise „Komplizen“ im militärischen und regierungspolitischen Lager gibt. Nicht eine ideologische Konsistenz, sondern eine gesellschaftliche Ablehnung bricht sich Bahn. Es geht gegen die hochgerüsteten westlichen Militärs und gegen die Soldaten lokaler Staaten, die der Bevölkerung keinen kleinen Wohlstand und keine Ruhe gebracht haben.

Das „Journal du Niger“ zitiert den CIA-Mitarbeiter Michael Shurkin vom Rand-Thinktank mit den Worten, dass sich die Lage noch verschlimmern wird, sowie eine anonyme Stimme aus dem US-amerikanischen Verteidigungsministerium, dass die Situation „außer Kontrolle“ sei: „Es ist ja nicht möglich, die Situation dadurch wieder in den Griff zu kriegen, dass man dort alle tötet. Die [dortigen] Staaten sind unorganisiert, ich denke, sie sind schlicht überholt [dépassés]“.

Wenige Tage vor dem Anschlag hat das US-Militär hat mit dem Militär Nigers ein Abkommen abgeschlossen, und zwar zur Ausbildung in „Verhörtechniken“ und zur Etablierung einer entsprechenden Kooperation, wie der US-amerikanische Botschafter im Niger Eric P. Whitaker erläutert. Es geht dabei, im Klartext, um den Transfer von Foltertechniken in den Sahel, schreibt das französische Internetportal „Mediapart“.

maliactu | 13.12.2019

Journal du Niger | 13.12.2019

maliactu | 12.12.2019

rfi | 11.12.2019

mediapart | 10.12.2019

Niger – Attaque d’Inatès : Au moins 70 militaires tués et des dizaines portés disparus

Niger: 500 Personen stürmen Militärbasis Inate, mind. 71 tote Soldaten