Die illegale Einwanderung in die USA hat sich in den vergangenen fünf Jahren drastisch verändert. Dies hat das Land überfordert und zu unmenschlichen Bedingungen an der Südgrenze geführt. Präsident Trump trägt nicht allein die Schuld dafür.

[…] Allein im Mai wurden an der amerikanischen Südgrenze 133 000 illegal eingereiste Migranten aufgegriffen, die höchste Zahl seit dreizehn Jahren. Im Juni gingen die Festnahmen aufgrund der Hitze in der Region sowie eines härteren Vorgehens Mexikos nach der Drohung Trumps mit Strafzöllen auf 95 000 zurück, was gegenüber dem gleichen Monat im Vorjahr immer noch eine Verdoppelung darstellt. Insgesamt dürfte die Zahl der Aufgriffe im laufenden Fiskaljahr erstmals seit 2006 wieder über eine Million Personen erreichen. […]

Doch heute kommen nicht mehr vorwiegend junge, Arbeit suchende Männer aus Mexiko illegal in die USA. Seit 2014 sind es vor allem Zentralamerikaner aus Honduras, Guatemala und El Salvador, unter ihnen viele Familien und Kinder. Fast 50 000 unbegleitete Minderjährige sind im laufenden Jahr bereits über die Südgrenze ins Land gelangt. Die Migranten versuchen auch nicht mehr, den Grenzbeamten zu entwischen und unterzutauchen. Sie lassen sich vielmehr widerstandslos festsetzen und ersuchen Asyl […9

Doch um die tatsächlich Schutzbedürftigen herauszufiltern, bedarf es eines langen Verfahrens. Momentan dauert es im Durchschnitt zwei Jahre bis zu einem rechtskräftigen Entscheid. So lange können die meisten Asylsuchenden legal im Land bleiben und arbeiten. Wer nur geringe Chancen auf einen positiven Bescheid hat, taucht häufig irgendwann unter als einer von schätzungsweise gut zehn Millionen, die sich illegal im Land aufhalten.

Die Folge ist ein Teufelskreis. Die Möglichkeit, auf dem Weg des Asylsystems in die USA zu gelangen, hat sich rasch herumgesprochen und weitere Zentralamerikaner zum Aufbruch bewegt. […] Verbunden mit der boomenden Wirtschaft in den USA, ist eine Sogwirkung entstanden, die mittlerweile sogar Afrikaner und Menschen aus dem Nahen Osten an der Südgrenze auftauchen lässt. Der Ansturm verlängert die Verfahren zusätzlich – und damit auch die Möglichkeit, sich legal in Amerika aufzuhalten. Derzeit sind fast 900 000 Fälle bei den Einwanderungsgerichten hängig.  […]

NZZ | 13.07.2019

„Amerikas Migrationskrise ist ein Systemversagen mit tödlichen Folgen“