Der zunächst friedliche Protest schlägt in Gewalt um. Aufgebrachte Demonstranten blockieren Hauptverkehrsstraßen und errichten brennende Barrikaden. „Wir wollen dieses Regime nicht mehr“, rufen sie. Andere stürmen Räume des staatlichen Rundfunksenders ORTM, der daraufhin die Ausstrahlung des Programms unterbricht. Wenige Kilometer entfernt schleudern Demonstranten Steine gegen das Parlamentsgebäude. Die Nationalgarde setzt Tränengas gegen die Randalierer ein. Es fallen Schüsse. Bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften werden nach Angaben von Krankenhausmitarbeitern ein Mensch getötet und etwa 20 Personen verletzt.

Seit einigen Wochen wird der Protest in dem armen Sahelstaat von einer neuen Oppositionskoalition unter Führung des einflussreichen Imams und islamischen Hardliners Mahmoud Dicko organisiert. Sie veröffentlicht an diesem Freitag ein Zehn-Punkte-Konzept, in dem die Bevölkerung zum zivilen Ungehorsam aufgerufen wird. Dazu zählen auch die Blockade von Straßenkreuzungen und staatlichen Gebäuden.

DW 10.07.20, mit Bildern

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COTONOU taz | Der dritte Massenprotest innerhalb von fünf Wochen gegen Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keïta ist am Freitag, 10 Juli, in Malis Hauptstadt Bamoko einmal mehr außer Kontrolle geraten. Die Polizei feuerte Schüsse ab und setzte Tränengas ein. Mindestens ein Mensch ist ums Leben gekommen, rund 20 Demonstrant*innen wurden verletzt. Die Nationalversammlung und das Staatsfernsehen ORTM waren zwischenzeitlich besetzt. Für eine kurze Zeit gab es kein Signal mehr. Auch auf den beiden Brücken über den Niger im Zentrum von Bamako ging gar nichts mehr.
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Mehrere Organisator*innen der Bewegung M5 – dazu gehören Teile der Zivilgesellschaft und der politischen Opposition sowie Anhänger*innen der Koordinierungsstelle der Bewegungen, Vereine und Sympathisant*innen von Imam Mahmoud Dicko (CMAS) – sind zudem am Abend verhaftet worden.
Die Lage in der Stadt bleibt angespannt, twittern am Samstagmittag, 11. Juli, Beobachter*innen und Journalist*innen weiter. Am frühen Nachmittag heißt es, dass im Stadtteil Magnambougou Faso Kanu, wo Dickos Zusammenschluss seinen Hauptsitz hat, immer mehr bewaffnete Soldat*innen anrücken.

TAZ 11.07.20

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The protest, organised by a new opposition coalition, was the third such demonstration in less than two months — significantly escalating pressure on the 75-year-old president. Led by influential imam Mahmoud Dicko, the “June 5 movement” is channelling deep-seated frustrations in the West African country. The opposition alliance said in a Friday evening statement that, pending further details, it held the government responsible for the violence.
‘Step up’ pressure
It called on the public “to maintain and step up this mobilisation until the aim is achieved, which is the resignation of the president.” The opposition alliance is due to spell out future strategy in a press conference later Saturday. Two of its leaders, Issa Kaou Djim and Clement Dembele, were arrested on Friday evening, it said. Officials on Saturday were counting the cost of the violence. “The material damage has been considerable: six vehicles burnt, the windscreens of seven vehicles smashed, the machine to digitalise the archives stolen — it was new — and the server of the news programme and other material damaged,” the head of the state-run television and radio network, Salif Sanogo, told AFP. The television station resumed broadcasts on Saturday and was being guarded by security forces.
Bamako still bore the signs of the unrest with many roads littered with rocks and stones and the remnants of barricades put up by protesters. Security forces overnight took back control of two of the three arterial bridges over the Niger River which had been taken over by protesters. Such unrest is rare in Bamako, which has been spared much of the violence that is routine across swathes of Mali.

Sahel Analysis 11.07.20

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Nach wochenlangen Protesten hat die Regierung im westafrikanischen Mali Reformen zugesagt. Präsident Ibrahim Boubakar Keita kündigte in der Nacht in einer Erklärung an die Nation an, das Verfassungsgericht neu besetzen und eine Regierung mit verschiedenen politischen Kräften bilden zu wollen. Mit dem Schritt reagierte der Staatschef auf Forderungen der Opposition. […]

Keita kündigte an, die Amtszeit der Verfassungsrichter zu beenden und in der kommenden Woche die Behörden mit der Benennung von neuen Richtern zu beauftragen. „Das reformierte Gericht wird uns schnell helfen, Lösungen in dem Streit zu finden, der nach den Parlamentswahlen ausgebrochen ist“, sagte Keita.
Zudem wolle er in Gesprächen mit der Opposition über eine Regierung beraten, die die verschiedenen politischen Kräfte repräsentiere. Eine Mission der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas soll vermitteln helfen. Einen Rücktritt der Regierung oder die Auflösung des Parlaments hatte der Präsident zuvor abgelehnt.

Tagesschau 12.07.20

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Unterdessen droht sich die Zahl der Opfer weiter zu erhöhen. Augenzeugen berichteten über mindestens einen leblos am Boden liegenden Demonstranten, der Schusswunden aufwies. Er lag vor der Moschee von Imam Mahmoud Dicko, der eine einflussreiche politisch-religiöse Gruppierung anführt. Dort war es in der Nacht zu Sonntag zu Ausschreitungen gekommen. Die Krawalle hatten mit einer Demonstration am Freitagabend begonnen, bei der nach offiziellen Angaben drei Menschen ums Leben kamen. Weitere 74 Demonstranten seien verletzt worden, hatte Premierminister Boubou Cissé am Samstagabend bei einem Spitalbesuch bekanntgegeben.
Mehrere Demonstranten hatten am Freitagabend vorübergehend das Gebäude des staatlichen Rundfunksenders ORTM besetzt und teilweise beschädigt. Sie gingen auch gegen die Nationalversammlung vor. Anhänger der Opposition hatten später auch mit Strassenbarrikaden auf Berichte über Festnahmen mehrerer Oppositionsführer reagiert. Nach offiziell unbestätigten Berichten soll sich darunter auch Dicko befinden.

NZZ 12.07.20

„Bamako brodelt“