Radikalisierung Salvinis und die Seenotrettung im zentralen Mittelmeer

Der italienische Innenminister Matteo Salvini kündigt ein zweites „Sicherheitsdekret“ an. Es sieht eine Sondergerichtsbarkeit mit drakonischen Strafen für Seenotretter vor. Zeitgleich zu diesem spektakulären Vorhaben bringt das NGO-Schiff „Mare Jonio“ zum zweiten Mal gerettete Boat-people direkt nach Lampedusa. Die italienische Meerespolizei „Guardia di Finanza“ hatte die „Mare Jonio“ bis in italienische Hoheitsgewässer fahren lassen, dort gestoppt, aber nicht durchsucht, und dann nach Lampedusa durchgewinkt. Die abermalige Beschlagnahme des Schiffs und die Ermittlungen gegen die Schiffsbesatzung tun die Aktivist*innen als „Propaganda“ ab. Wie passen diese widersprüchlichen Entwicklungen zusammen?

„Mare Jonio“ und Kriegsschiff bringen Gerettete nach Italien

Das NGO-Schiff „Mare Jonio“ ist nach schneller Fahrt mit den Geretteten an Bord heute morgen kurz vor 7 Uhr in die italienischen Gewässer vor Lampedusa gelangt. Dort wurde es von zwei Schiffen der italienischen Meerespolizei Guardia di Finanza gestoppt und den Vormittag über polizeilich durchsucht. Am Mittag konnte das NGO-Schiff in Lampedusa anlegen und die Geretteten gingen an Land, ohne dass ein Resettlementabkommen mit anderen EU-Staaten vorliegt. Das NGO-Schiff wurde erneut beschlagnahmt.

Italienische Marine rettet 36 Boat-people vor Libyen – Regierungskrise

Heute vormittag gibt die italienische Marine bekannt, dass das militärische Patrouillenschiff „Cigala Fulgosi“ 40 Seemeilen vor Libyen 36 Boat-people in akuter Seenot gerettet hat. Innenminister Matteo Salvini verkündet, dass das italienische Marineschiff mit den Geretteten in keinem italienischen Hafen anlegen darf, während die Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta von der Anlandung in Italien ausgeht. Angesichts der sich deswegen zuspitzenden Regierungskrise haben mehrere EU-Staaten die Aufnahme einiger der Geretteten angekündigt.

Algerien: 16 Harragas abgefangen

Die algerische Marine hat gestern um 4 Uhr morgens eine Seemeile vor der westalgerischen Stadt Oran 16 Boat-people abgefangen. Die Harragas wurden anschließend der Gendarmerie übergeben. In der Presse heißt es, dass es über Wochen keine algerischen Harragas gegeben habe. In Spanien wurden aber Rettungen und Ankünfte registriert. Die jetzige Abfang-Operation kann darauf hindeuten, dass sich das Militär nach einem Rückzug angesichts der landesweiten Proteste nun neu organisiert.

Algerien 8. Mai: Wiederaneignung der Geschichte

Das Schlüsselereignis für den algerischen antikolonialistischen Aufstand war der 8. Mai 1945. Nach der Befreiung Europas und Teilen Nordafrikas von der deutschen nationalsozialistischen Herrschaft ging die algerische Bevölkerung auf die Straße, um die erwartete Freiheit auch vom kolonialen Joch zu feiern. In Sétif und anderen Städten eröffneten französische Besatzer das Feuer und erschossen zehntausende Menschen. Am 8. Mai 2019 verjagten Demonstrant*innen lokale und nationale Politiker von den Erinnerungskundgebungen in diesen Städten.