Demonstrationen wegen hoher Lebenshaltungskosten weiten sich zu Protest gegen Präsidenten aus

Von Gerrit Hoekman

Al-Baschir aufgerufen. Ein Netzwerk sudanesischer Journalisten kündigte zudem an, aus Solidarität mit den Demonstranten in einen unbefristeten Streik zu treten. Das berichtete der arabische Sender Al-Dschasira auf seiner Internetseite. Die Proteste sollen bis jetzt mindestens 37 Tote gefordert haben.

»Wir erklären einen dreitägigen Streik, um gegen die Gewalt zu protestieren, die von der Regierung gegen die Demonstranten entfacht wurde«, erklärten die Journalisten. Die Reporter fordern das Recht auf freie Meinungsäußerung. Die Presse im Sudan unterliegt einer strengen Zensur. Zuweilen werden ganze Auflagen einkassiert.

Die Unruhen begannen am 19. Dezember, nachdem die Regierung angekündigt hatte, den Brotpreis zu verdreifachen. Umgerechnet fünf Cent soll ein Laib demnächst kosten. Es ist nicht das erste Mal, dass »Brotunruhen« einen arabischen Herrscher in Bedrängnis bringen. Brot ist das Grundnahrungsmittel schlechthin und ein Symbol – in Ägypten nennen es die Menschen »Aisch« (Leben).

Der Sudan leidet unter einer Wirtschaftskrise. Die Inflation beträgt 70 Prozent. Auch die Aufhebung des US-Wirtschaftsembargos im Oktober 2017 konnte sie bis jetzt nicht signifikant drücken. Die Landeswährung, das sudanesische Pfund, ist eingebrochen, die Devisen sind knapp und es kommt immer wieder zu Engpässen bei Lebensmitteln und Brennstoff.

Doch inzwischen geht es längst nicht mehr nur um Brot und Benzin. Es geht um Al-Baschir, den Endlospräsidenten des Sudan. 1989 putschte sich der ehemalige General an die Macht und regiert das Land seitdem mit eiserner Knute, der Hilfe des Militärs und der Scharia, dem islamischen Gesetz. Ein Teil der Sudanesen ist den Machthaber leid, sie wollen ihn loswerden, so schnell wie möglich.

Al-Baschir macht unterdessen ausländische Kräfte für die Unruhen verantwortlich. Er kündigte Maßnahmen an, die das Leben der Bevölkerung verbessern sollen. Welche das sein sollen, sagte er aber bisher nicht. Beunruhigend für den Präsidenten: Am Mittwoch vor einer Woche kehrte Sadik Al-Mahdi, der Führer der oppositionellen Umma-Partei und letzte frei gewählte Premierminister, in den Sudan zurück. Ihn entfernte Al-Baschir 1989 mit seinem Putsch aus dem Amt. Al-Mahdi fordert eine demokratische Umwandlung des Sudan.

Wie groß die Zahl derjenigen ist, die den Machthaber vom Thron stoßen wollen, ist schwer zu sagen. Sicher ist, dass immer mehr Berufsgruppen gegen die Regierung aufbegehren. Längst hat der Protest, der auf dem Land begann, die Hauptstadt Khartum und andere Städte erreicht.

In Kadarif schlossen sich am Mittwoch Studierende der medizinischen Fakultät an. Sie folgten damit dem Beispiel der Ärzte des zentralen Krankenhauses, die am Montag die Arbeit niederlegten, wie Al-Dschasira berichtete.

Die Mediziner verurteilen die Gewalt der Sicherheitskräfte, die in den vergangenen Tagen Tränengas, aber auch scharfe Munition einsetzten. Die meisten der getöteten Demonstranten waren erschossen worden. Der oppositionelle islamische »Volkskongress« nennt die Opfer »Märtyrer«.

»Wir fordern das sudanesische Volk auf, seine Demonstrationen fortzusetzen«, zitierte Al-Dschasira aus einer Erklärung der Kommunistischen Partei des Sudans. »Bis zum Sturz des Regimes.« Nach Angaben des Senders aus Katar sind mehrere Parteimitglieder seit dem Beginn der Unruhen verhaftet worden. »Wir rufen zudem alle Oppositionsparteien dazu auf, sich zu vereinigen und gemeinsam die Bewegung zu koordinieren«, heißt es in dem Statement der KP weiter.

junge Welt | 28.12.2018

„Brotaufstand in Sudan“