NZZ | 04.09.2019

Die Bundeswehr ist an der UNO-Mission in Mali seit 6 Jahren mit 800 Soldaten beteiligt. Die Bilanz ist ernüchternd. Deshalb wird die Strategie verändert: Die Soldaten sollen Präsenz zeigen, um der Bevölkerung zu demonstrieren, dass sie zu ihrem Schutz da sind. Marco Seliger hat die Truppe besucht.

Die Uno-Friedensmission in Mali gilt als eine der gefährlichsten der Welt. Nach sechs Jahren fällt ihre Bilanz ernüchternd aus. Die deutsche Bundeswehr, die mit 800 Soldaten dabei ist, passt deshalb ihre Strategie an.

Gut sieben Jahre ist es her, dass Tuareg-Rebellen und islamistische Terrorgruppen in Nord- und Zentralmali den Aufstand probten. Frankreich schickte Kampftruppen und verhinderte, dass die Jihadisten das westafrikanische Land komplett übernahmen. Anschliessend stationierte die Uno eine 13 000 Mann starke Friedenstruppe in Nord- und Zentralmali. Sie soll einen Friedensvertrag zwischen den Tuareg und der Regierung überwachen. Die etwa 800 deutschen Soldaten in Gao sind Teil dieser Uno-Truppe. Sie schicken Aufklärungsdrohnen in den Himmel und fahren in die Wüste hinaus, um Informationen über die Konfliktparteien zu sammeln. Doch sechs Jahre nach Beginn des Uno-Einsatzes hat sich die Lage in Mali nicht verbessert – im Gegenteil: Das Land wird immer unsicherer, die Opferzahlen steigen. […]

Auch für die deutschen Soldaten in Gao wächst das Risiko. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie in ihrem Einsatzgebiet inzwischen offensiver vorgehen. Anders als in den ersten Jahren sind sie nun mit Infanteriekräften Tag und Nacht in einem Radius von bis zu 150 Kilometern um die Stadt herum unterwegs. Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen sollen sie das Feldlager und den Flugplatz weiträumig sichern, um Angriffe vor allem auf startende und landende Flugzeuge zu verhindern. Zum anderen sollen sie Präsenz zeigen, um der Bevölkerung zu demonstrieren, dass sie zu ihrem Schutz da sind.

Unter den Gebirgsjägern sind viele einsatzerprobte Soldaten. Einige von ihnen haben in Afghanistan Gefechte geführt. Manche waren zu der Zeit dort, als die Patrouillen sich noch leicht bewaffnet bewegen konnten. Doch schon damals kamen Taliban und Terroristen in Städte wie Kunduz, die bald darauf zur Kampfzone werden sollten. Deutsche Soldaten starben oder wurden verwundet, weil die Fahrzeuge keinen ausreichenden Schutz vor improvisierten Sprengfallen boten oder weil das Kaliber ihrer Waffen zu gering war. «Wir haben daraus gelernt», sagt der Zugführer. Die elf gepanzerten Fahrzeuge seiner Patrouille sind mit Maschinengewehren und Granatmaschinenwaffen ausgerüstet. In den Munitionswesten der Soldaten stecken Ersatzmagazine für das Sturmgewehr G36 sowie Granaten. […]

Gao ist mit etwa 80 000 Einwohnern die grösste Stadt im Norden Malis. In dem Ort kreuzen sich wichtige Strassen. Bundeswehroffiziere berichten davon, dass sich die hier ansässigen regierungstreuen Milizen, Al-Kaida-nahe Terrorgruppen und Kriminelle aller Ethnien derzeit auf einen Nichtangriffspakt in der Stadt verständigt hätten. Grund dafür ist der Schmuggel, an dem alle Seiten verdienen. Von Norden transportieren die Schmuggler Waffen und Munition, von Süden Drogen und Flüchtlinge. Die Einwohner, berichtet der Zugführer, beklagten sich allerdings über die wachsende Kriminalität in der Stadt. Händler würden ausgeraubt und Mopeds gestohlen. Auch das ist ein Grund für die zunehmende Präsenz der Bundeswehr in Gao. Sie soll der Bevölkerung zeigen, dass sie für Sicherheit sorgt, und so verhindern, dass sich die Bürger bewaffnen.

Der Reporter besucht auch ein Ausbildungslager in der Nähe von Bamako, das von Bundeswehrsoldaten unterhalten wird. Das Fazit:

Auch sechs Jahre nach Beginn des europäischen Ausbildungseinsatzes ist die malische Armee noch immer kaum in der Lage, ihrem Gegner wirksam entgegenzutreten.“ Die Malischen Soldaten, so ein Ausbilder, „kommen teilweise ohne Waffe oder Munition hierher und fürchten sich davor, einen Schuss abzugeben».

Bundeswehr in Gao und Koulikoro / Mali