[ältere eigene Texte im FFM-Archiv]

Sterbenlassen oder Refoulement: EU-Marineflugzeug bitte melden!

Am Dienstagnachmittag wies ein europäisches Marineflugzeug den Öltanker „Elhiblu 1“ an, 108 Boat-people zu retten und nach Tripolis zu bringen. Zwei Fragen: 1. Bei welcher politisch-militärischen Stelle liegt die Verantwortung für den versuchten Massen-Push-Back, den das europäische Marineflugzeug mithilfe des Ölfrachters „Elhiblu 1“ organisiert hat? 2. Bei welcher politisch-militärischen Stelle liegt die Verantwortung für das oft aus der Luft beobachtete und der Öffentlichkeit nicht gemeldete Sterbenlassen im zentralen Mittelmeer? Im Unterschied zur „Australian Solution“ ist hier von einer „europäischen Lösung“ zu sprechen: Einzelfälle von Rettungen werden ins Rampenlicht gerückt, das massenhafte Sterbenlassen soll dagegen undokumentierbar gemacht werden.

Lektion „Mare Jonio“: Gute Vorbereitung, klarer Kurs, Lob der Entschlossenheit

Wie ist zu erklären, dass es dem NGO-Schiff „Mare Jonio“ gelang, nicht nur die Rettung durchzuführen, angesichts der auftauchenden sogenannten libyschen Küstenwache, der blockierenden Guardia di Finanza (GdF) und dem wütenden Innenminister Matteo Salvini („Verhaftet sie!“), sondern auch die Geretteten an Land zu bringen und einer sofortigen Verhaftung zu entgehen? Der Kapitän wurde nach Verhör bis heute Nacht um zwei Uhr in der Kaserne der GdF, in Begleitung des Schiffseigners und des Parlamentariers Erasmo Plazzotto, entlassen und ein Verfahren wurde nicht eingeleitet. Warum wurde das NGO-Schiff zunächst „nur“ für 48 Stunden beschlagnahmt?

Agadez: „Es ist, als hätte man uns die Luft zugeschnürt“

In Agadez (Niger) gibt es eine neue Krise. Lastwagen, die Menschen aus ganz Afrika befördern, kommen immer noch an diesem Kreuzweg an, an dem sich seit Jahrhunderten Männer und Frauen aus ganz Afrika treffen und alle Arten von Waren und Männern gehandelt werden. In den letzten Monaten endet für die meisten Migranten die Reise jedoch hier, unabhängig vom Zielort. Um die Migrationskrise einzudämmen, hat die Europäische Union den afrikanischen Ländern jedoch Notfallfonds zugesagt, unter der Bedingung, dass sie die Krise der Migranten in Schach halten. Der Niger ist einer von ihnen.

Algerien: Millionen auf der Straße, „die Macht“ in der Enge

Seit über drei Wochen hält eine beispiellose Mobilisierung auf der Straße das Land im Griff. Die Proteste wachsen von Woche zu Woche. Täglich finden in allen Städten Demonstrationen statt, freitags gehen Millionen auf die Straße. Am letzten Freitag, dem 8. März, meinten Kommentatoren, dass der Frauentag zu einer erhöhten Mobilisierung geführt habe. Aber am heutigen Tag (15. März) waren noch mehr Menschen auf der Straße.

Angry Fezzan Movement – Sozialprotest im Süden Libyens

Wer Gerechtigkeit will, sucht nach sozialen Protesten. Unruhen wegen Nahrungsmitteln, Brennstoff und der Strom- und Wasserversorgung bringen soziale Veränderung und Anknüpfungspunkte für Solidarität. Der Süden Libyens – ja, genau dort, wo die Bevölkerung Flüchtende und Migrant*innen durchwinkt! – wurde von einer sozialen Protestbewegung erschüttert. Jugendliche, Frauen und Kinder besetzten über zwei Monate lang das größte Ölfeld Libyens und stoppten die Produktion. In Deutschland berichtete niemand darüber.

Frankreich, Italien und der Fezzan

Der stille Krieg gegen Geflüchtete und Migrant*innen spitzt sich an der italienisch-französischen Grenze zu, die tatsächliche Konfrontation zwischen den beiden EU-Staaten spielt sich aber auf den libyschen Ölfeldern ab. Im libyschen Süden, im Fezzan droht ein offener Stellvertreterkrieg, der zu einer furchtbaren Blockade der transsaharischen Migration führen könnte. Wir haben im Januar auf erste Hintergründe hingewiesen: „Italien-EU: Keine Boat-people mehr durch künftigen Krieg im libyschen Süden?“

Bootspassagen im zentralen Mittelmeer im Frühjahr 2019

Seit dem Pakt der italienischen Regierung mit westlibyschen Küstenmilizen und ihrer Ernennung zur sog. libyschen Küstenwache (Minniti/EU), seit den Kriminalisierungen der NGO-Seenotrettung (Catania/Malta/Frontex), seit dem Abzug der italienischen Seenotrettung aus dem zentralen Mittelmeer und der faktischen Schließung der italienischen Häfen für gerettete Boat-people (Salvini/EU) hat sich die Passage von Boat-people über das zentrale Mittelmeer verändert. Dennoch werden viele versuchen, mit seeuntauglichen Schlauchbooten den libyschen Lagern zu entkommen. Deswegen wird eine Präsenz von NGO-Seenotrettungsdispositiven in der Todeszone vor der westlibyschen Küste weiterhin wichtig sein.

From the „Australian Solution“ to the „European Solution“

Am Freitag, dem 4. Januar 2019 kam es zu einer heftigen Demonstrations-Kundgebung auf der Straße in Palermo. Antirassist*innen, wütende Bürger*innen, und sogar der Bürgermeister fanden sich im Protest dagegen zusammen, dass 49 gerettete Boat-people auf zwei NGO-Schiffen nicht an europäisches Land gelassen wurden. Die Boat-people waren in Libyen gestartet. Viele waren dort unmenschlicher Internierung und Folterhaft ausgesetzt. Auf der „Sea Watch 3“ und auf der „Professor Penck“, die direkt vor der Küste Maltas lagen, spitzte sich die Situation zu. Ein Flüchtling war ins Wasser gesprungen und musste zurückgeholt werden. Andere weigerten sich, Nahrung zu sich zu nehmen. Die psychische Verunsicherung an Bord entwickele sich in gefährlicher Weise, hieß es.