Sollte sich das Szenario einer anschwellenden Migrationsbewegung über die Balkanroute bewahrheiten – woran kaum zu zweifeln ist –, würde Bosnien und Herzegowina als eine Art „europäisches Libyen“ weiter destabilisiert.
Italien, Zahl der Bootslandungen nimmt wieder zu
In keinem anderen Monat dieses Jahres sind so viele Migrant*innen auf dem Seeweg nach Italien gekommen wie im September. Das liegt aber weder an der neuen Regierung, die in der Sache bisher wenig an der Migrationspolitik der alten Koalition geändert hat, noch an der Präsenz der NGOs im zentralen Mittelmeer. Die Mehrzahl der zivilen Rettungsboote liegt zur Zeit in europäischen Häfen. Ausschlaggebend sind zwei andere Faktoren: zum einen nutzen die Boat-people die Wetterbedingungen, die noch günstig sind, ehe Herbst und Winter die Überfahrt nach Europa nahezu unmöglich machen. Zum anderen sollen Schlepper inzwischen auch auf die ‚tunesische‘ Route ausgewichen sein, auf der bisher vor allem Tunesier die italienische Küste angesteuert haben – auf sog. Phantombooten und aus eigener Kraft. Die Route gilt als vergleichsweise ‚einfach‘, vor allem weil die libysche Route zunehmend riskanter geworden ist, nachdem die EU der von Milizen dominierten Küstenwache Libyens die Kontrolle über das zentrale Mittelmeer faktisch überlassen hat und es stillschweigend hinnimmt, dass abgefangene Boat-people in Lager zurück deportiert werden, die von Politikern der EU als KZs bezeichnet werden.
Tunesien bringt Flüchtlingsschiffe auf – NGO-Seenotrettung weiterhin blockiert
Auf Druck der italienischen Regierung hat die tunesische Küstenwache 5 Flüchtlingsboote abgefangen und die knapp 100 Boat-people zurück nach Tunesien gebracht. Malta hat nur 35 der 219 Geretteten von der „Ocean Viking“ übernommen, dem Rettungsschiff von „SOS Méditerranée“ und „Ärzte ohne Grenzen“. Das Alarmphone berichtet, dass lokalisierte Schiffbrüchige bis zu 13 Stunden warten mussten, bis sie von maltesischen Küstenwachen gerettet wurden. Die meisten NGO-Seenotrettungsschiffe sind nach wie vor in europäischen Häfen blockiert bzw. konfisziert.
Seehofer-Erdogan: Geheimverhandlungen über 2. schmutzigen Deal
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan will 3 Millionen syrische Geflüchtete, sogar syrische Geflüchtete der griechischen Ägäis-Inseln, in eine türkisch kontrollierte Sicherheitszone in Syrien deportieren. Die künftigen Lager in der Sicherheitszone und wohl auch die Massendeportation will er sich mit vielen Milliarden Euro von der EU, vor allem aus Deutschland, finanzieren lassen, wie es türkische Massenmedien am 19.09.2019 bekanntmachten. Derzeit laufen laut der Internetseite „Nordic Monitor“ Geheimverhandlungen mit Kanzlerin Angela Merkel, Innenminister Horst Seehofer und EU-Instanzen in Brüssel. Die Pläne erscheinen sehr unrealistisch.
Libyen: Bootsflüchtling nach Push-Back „auf der Flucht erschossen“
Wie das italienische Fernsehen „TG-la7“ am 20.09.2019 meldet, haben „Bewaffnete“ im Hafen von Tripolis einen sudanesischen Gefllüchteten vor den Augen von IOM-Mitarbeitern erschossen. Nach der Anlandung von abgefangenen und zurückdeportierten Boat-people habe sich der Sudanese dagegen gewehrt, zurück in ein Internierungslager gebracht zu werden, er sei „auf der Flucht erschossen worden“, laut IOM.
Polizei räumt Camp bei Dünkirchen
French police clear ‘security hazard’ migrant camp More than 700 people, including families and young children, have been evicted from a temporary migrant camp in France. The removals in Dunkirk on Tuesday morning follow a court ruling that the encampment
Ertrinkenlassen, Seenotrettung und die Festung Europa
Vorsichtige positive Signale zur Seenotrettung im zentralen Mittelmeer poppen auf, während sich im Hintergrund die Mächte der Festung Europa neu formieren.
Tschad, Teil 3: Eine Milliarde gegen die Flüchtlinge
Die Europäische Union wird im Zeitraum 2017 bis 2021 925 Millionen Euro für den Tschad bereit stellen. Hinzu kommen Gelder aus dem European Trust Fund in Höhe von 95 Millionen Euro, diese sollen sich gezielt den Ursachen von Migration zuwenden und dazu noch zahlreiche Projekte finanzieren. Alles in enger Zusammenarbeit mit den Behörden und der Regierung im Tschad.“ Das heißt: über eine Milliarde Euro allein für den Tschad, um die Migration nach Europa einzudämmen.
Solidarität mit Riace
Riace ist ein kleines Bergdorf im süditalienischen Kalabrien, das seit 20 Jahren Geflüchtete solidarisch aufnahm und dafür weltweit bekannt wurde. Das Dorf und sein Bürgermeister wurden deshalb kriminalisiert, aber es steht nicht allein.
„Italien: Was von Salvini bleibt“
Faktisch hält die neue italienische Regierung nach wie vor an der Politik der geschlossenen Häfen fest: weder die „Alan Kurdi“ noch die „Ocean Viking“ können in italienische Gewässer einfahren und die Boat-people in Italien sicher an Land bringen, ohne befürchten zu müssen, dass die Boote beschlagnahmt werden und die NGOs Bußgelder in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro bezahlen müssen. Noch gilt das „Sicherheitsdekret bis“, das die alte Regierung mit den Stimmen des M5S wenige Tage vor dem Misstrauensvotum des Lega-Innenministers Salvini verabschiedet hatte. Geändert hat sich die Tonlage, geändert hat sich auch, dass führende Vertreter der PD fordern, private Rettungsboote müssten „ohne Wenn und Aber in einen Hafen einfahren“ können. Deren Parteigenosse Minitti hat als damaliger Innenminister allerdings die fürchterlichen Verträge mit der Scheinregierung in Libyen zu verantworten, welche die Überfahrten nach Europa drastisch reduziert und die KZ-ähnlichen Lager in Libyen gefüllt haben. Im Unterschied dazu setzen Ministerpräsident Conte und seine neue Koalition nun auf Europa: da eine umfassende Reform des Dublin-Abkommens auf die Schnelle nicht durchsetzbar ist, strebt die neue Regierung eine pragmatische Lösung an. Wer auch immer in Italien oder Malta anlandet, soll innerhalb eines Monats von anderen europäischen Ländern aufgenommen werden. Gemäß der Maxime: die Migrant*innen wollen nicht nach Italien, sondern nach Europa.