Italienisches Kriegsschiff: Baby sterben gelassen – danach Boat-people gerettet

UPDATE Baby hat überlebt. – Die EU hatte ihre Militäroperation Eunavfor nach dem geretteten Baby „Sophia“ genannt. Alle europäischen Militäroperationen im zentralen Mittelmeer sollten nach dem Namen des heute Nacht verstorbenen Babys genannt werden. Es hauchte sein Leben unter hilfeverweigernder, flüchtlingsfeindlicher Nahbeobachtung europäischer Militärs und Küstenwachler aus.

Algeriens Ausstrahlungskraft und der Dschihadismus in der Sahara

Die sozialen wie politischen Mobilisierungen in Algerien und im Sudan könnten nicht nur die beiden jahrzehntealten Regime ins Wanken bringen, sondern haben auch enorme Auswirkungen auf den sozialen Wandel in Nordafrika und die Sahara. In folgendem Interview regt Jean-François Bayart dazu an, die säkular ausgerichteten nordafrikanischen Küstenproteste mit den dschihadistischen Aufständen im Sahel als Ausdruck des sozialen Widerstands gegen die forcierte Kapitalakkumulation zusammenzudenken. Die Jugendlichen organisieren sich nach Prinzipien der sozialen Nähe und begehren damit auch auf gegen traditionalistische Hierarchien.

Urteil Schiffsentführung nach Italien: „Legitime Verteidigung“

Das Gericht in Trapani hat zwei Boat-people freigesprochen. Sie hatten im Juli 2018 das Schiff „Vos Thalassa“, das sie und 65 weitere Boat-people nach Libyen zurückbringen wollte, zur Umkehr und zum Kurs nach Italien gezwungen. Das Gericht begründete den Freispruch mit „legitimer Verteidigung“ der Boat-people. Der Richterspruch wird als Präzedenzurteil eingestuft.

1 Boot erreicht Lampedusa, 3 Boote unter italienischem Luftkommando nach Libyen

Am gestrigen 23.05.2019 spitzte sich mittags im zentralen Mittelmeer das Schicksal von vier Flüchtlingsbooten mit insgesamt ca. 340 Boat-people zu. Das Alarmphone hatte einen Notruf aus einem dieser Boote erhalten und informierte das italienische IMRCC. Seawatch meldete mithilfe des NGO-Flugzeugs „Colibri“ aus der Luft, dass ein italienisches Kriegsschiff in der Nähe ist. Dieses fuhr aber nicht zu den Schiffbrüchigen, sondern schickte einen Hubschrauber, der aus der Luft an der Deportation dieser Boat-people durch die sogenannte libysche Küstenwache teilnahm. Zwei weitere der vier Flüchtlingsboote wurden ebenfalls von den libyschen Küstenmilizen gekapert. Dem vierten Flüchtlingsboot gelang anscheinend die Flucht. Heute morgen um 4 Uhr legte es mit 57 Boat-people in Lampedusa an. – In den letzten 48 Stunden haben 9 Boote mit 130 Geflüchteten die Ankunft an der italienischen Küste aus eigener Kraft geschafft.

Sea-Watch 3 beschlagnahmt, Boat-people gehen auf Lampedusa an Land

Inzwischen ist die Sea-Watch 3 mit 47 geretteten Boat-people an Bord trotz Verbots in italienische Hoheitsgewässer eingefahren. Kapitän und Besatzung haben dies mit dem kritischen Zustand der Geretteten begründet, deren Schutz sie nicht mehr gewährleisten könnten. Kommentar Salvini: Von wegen, dieses Schiff wird nicht andocken und diese Einwanderer werden nicht an Land gehen, koste es was es wolle. Der italienische Innenminister steht unter Druck: der UNHCR wirft ihm in einem 11-seitigen Brief Verletzung der Menschenrechte vor, die Föderation evangelischer Kirchen hat ihre Einrichtungen zur Aufnahme von Migranten angeboten, der Vatikan verübelt ihm, dass er bei seiner gestrigen Rede in Mailand mit dem Rosenkranz für die Lega geworben hat, das Strache-Video schadet auch ihm und sein Koalitionspartner, das Movimento 5 Stelle, hat eine Kehrtwende um 180 Grad vollzogen, die auch als Angebot an eine neue Mitte-Links-Regierung verstanden werden kann. Diese Konstellation kann der Sea-Watch zugute kommen. Lampedusa ist bereit, das NGO-Rettungsboot andocken und die Boat-people an Land gehen zu lassen.

Sea-Watch 3: „Italien lässt einige Bootsflüchtlinge an Land“

Es ist Wahlkampf in Italien und die Differenzen zwischen den Regierungsparteien werden polternd ausgetragen. Der Entscheidung, dass 18 der 65 von der Sea-Watch geretteten Boat-people von einem Patrouillenboot der Küstenwache nach Italien gebracht werden, war ein heftiger Wortwechsel zwischen Salvini und De Maio vorausgegangen. Auf die Facebook-Botschaft Salvinis, dass niemand ihm befehlen könne, die Häfen zu öffnen, reagierte De Maio in Anspielung auf Mussolini  mit den Worten: „Italien hat schon mal einen einzigen Mann an der Spitze gehabt und keinen weiteren Bedarf.“