Algerien: „Weder Verlängerung (der Bouteflika-Präsidentschaft) noch Verschiebung (der Wahlen)“

Mit der Parole „Weder Verlängerung noch Verschiebung“ setzt sich in diesen Tagen auf der Straße die Ablehnung einer staatsgelenkten Transformation durch. Laut Verfassung endet die Präsidentschaft Bouteflikas am 16. April 2019. Der Präsident hat weder die Entscheidungsbefugnis, die anstehenden Wahlen vom 18. April 2019 zu verschieben, noch sein eigenes laufendes Mandat dadurch zu verlängern, noch eine verfassungsgebende Versammlung nach Ende seiner Präsidentschaft einzuberufen. Genau diese Ansagen hat Bouteflika aber gemacht, als er – oder sein Clan – am Montagabend auf seine Kandidatur für ein 5. Mandat verzichtete. Mit der Ablehnung einer staatsgelenkten Transformation verpufft der erste Befriedungsversuch des „Pouvoir“, der staatlichen Macht in Algerien.

„How Bouteflika Lost Algeria’s Business Class“

Die algerische „Business Class“ ist in Aufregung. Nach manchen Berichten bereiten regierungsnahe Zirkel ihre Flucht ins Ausland vor, da sie in den letzten Jahrzehnten unermessliche Werte privatisiert und ins Ausland geschafft haben. Es geht um Milliarden Euro aus dem Öl-, dem Rüstungs- und dem Kokaingeschäft. Nun legt die Carnegie Endowment for International Peace einen Report vor, in dem sie minutiös die algerische Geschäftswelt auflistet und den Absetzbewegungen von Bouteflika zuordnet, die sich angeblich aus lauteren Geschäftsinteressen formieren. Hier Auszüge des Reports. Wird die Geschäftswelt als möglicher Ansprechpartner für die avisierte algerische Transformation in Anschlag gebracht?

Algerien: Angst vor Massenflucht wird geschürt

Während Marine Le Pen in Frankreich den Stop der Visavergabe an Algerier*innen fordert, ermuntert das Handelsblatt heute Deutschland und Europa zum „Handeln“ gegenüber der „Staatskrise“ in Algerien und mokiert sich über den Stellenwert, der der Krise in Venezuela in den Medien und der Außenpolitik eingeräumt wird. Die wahre Bedrohung komme derzeit aus Algerien, in Form einer drohenden Massenflucht.

Algerien: Oppositionsparteien fordern Annullierung der Wahl und Übergangsperiode

Die etablierten Oppositionsparteien haben am Vorabend des bevorstehenden dritten und sicherlich größten Freitags-Protests zu einem programmatischen Treffen zusammengefunden und ein Konsenspapier abgefasst. Gemeinsam fordern sie eine Annullierung der Wahl am 18. April 2019, zu der sich der seit 20 Jahren amtierende 82-jährige Staatspräsident Bouteflika vom Krankenbett aus Genf aus hat wieder aufstellen lassen.

Algerien: Die alte politische Opposition verliert den Anschluss

Heute haben zur Überraschung Vieler wiederum in allen Großstädten massenhafte Demonstrationen stattgefunden. Sie wurden laut Medienberichten von Student*innen getragen, aber auch von ärmeren Schichten. In Algier kam es am frühen Nachmittag zu Zusammenstößen mit den Spezialeinheiten der Polizei. Den etablierten Oppositionsparteien, die zum Boykott der April-Wahlen übergelaufen sind und am Freitag und Sonntag an den Massendemonstrationen teilgenommen haben, „schwimmen die Felle weg“, sie verlieren rasant an Einfluss.

Algerien: Die Angst ölreicher algerischer Militärs und migrationsfeindlicher EU-Staaten

Seit Freitag, dem 1. März 2019 , ist  in Algerien und auch in der französischen Berichterstattung die Behauptung „Bouteflika oder das Chaos“ verschwunden. Dem Establishent geht es mittlerweile sicherlich nicht mehr nur um die rasche Suche eines Ersatzkandidaten für Bouteflika, sondern um eine drohende Auseinandersetzung zwischen den obskuren Militärfraktionen und – bei einer schnell wachsenden Protestentfaltung auf der Straße – um Szenarien des Zusammenbruchs von Polizei- und Militärstrukturen. Die Regierungen in der EU sind auf das Höchste besorgt, aber hüllen sich in Schweigen. Sie fürchten den Zusammenbruch der militärischen Küstenwache und der Gendarmerie längs der Küste, und die kommende Reisefreiheit auch für Jugendliche in Algerien.

Algerien: Der Protest, der aus den Fußballstadien kommt

Die Tageszeitung Il Foglio weist mit einem guten Kurzvideo darauf hin, dass sich der Straßenprotest in Algerien gegen das 5. Mandat des Präsidenten Bouteflika über Monate in den den Fußballstadien zusammengebraut hat und jetzt von politischen Liedern und Parolen aus den Stadien geprägt wird. Die Fußballstadien gehören neben den Moscheen zu den wenigen Orten, an denen sich wöchentlich viele Menschen versammeln können.