Kachel 1 – Schwerpunkte

Mittelmeer, „Jamming“: Französisches Kriegsschiff schaltet Funkverkehr aus?

Boat-people hatten wegen „Jammings“ nicht gerettet werden können. Ein französisches Kriegsschiff vor Misrata soll zur Lahmlegung des Funkverkehrs übergegangen sei, um die Luftabwehr und die Drohnenflüge der Küstenstadt Misrata auszuschalten. Die Haftar-Truppen versuchen derzeit, Misrata aus der Luft zu bombardieren. Frankreich steht seit dem EU-Ad-hoc-Abkommen zur Aufnahme geretteter Boat-people neben Deutschland unter Druck, die Anlandung und das Verteilungsprozedere von Geretteten gegenüber Italien und Malta durchzusetzen.

„Mare Jonio“ rettet 98 Boat-people, darunter 22 Kinder

In den frühen Morgenstunden hat die „Mare Jonio“ der NGO „Mediterranea Saving Humans“ ein Schlauchboot aufgelesen, das seit zwei Tagen und Nächten auf dem Meer driftete. An Bord befanden sich 98 Menschen, darunter 22 Kinder unter zehn Jahren und 26 Frauen, acht davon schwanger. Die Migrant*innen haben berichtet, dass sechs Männer wahrscheinlich ertrunken sind, die ins Wasser gefallen sind, als das Boot Luft verlor. Die „Mare Jonio“ hat die italienische Rettungsleitstelle um die Zuweisung eines sicheren Hafens gebeten. Diese hat der Besatzung indes geraten, sich an die sogenannte libysche Küstenwache zu wenden.

Wieder Schiffskatastrophe vor der libyschen Küste

Schon wieder sind Dutzende von Boat-people bei dem Versuch, Europa zu erreichen, in libyschen Gewässern ertrunken. In den frühen Morgenstunden ging bei Alarmphone ein Hilferuf ein. Die Migrant*innen hatten Al Khums drei Stunden zuvor verlassen und befanden sich in großer Not: „Sie waren verzweifelt, weinten und schrien und sagten uns, dass es bereits Tote gäbe. Wir versuchten, ihre GPS-Position festzustellen, aber die Menschen waren zu panisch, um sie uns vermitteln zu können. Da sich das Boot noch in der Nähe der libyschen Küste befand, blieb uns nichts anderes übrig, als die Behörden von Libyen und Italien zu informieren. Wir glauben nicht, dass jemand nach ihnen gesucht hat.“ Inzwischen hat die IOM das Schiffsunglück bestätigt: „Etwa 60 Überlebende wurden an die Küste zurückgebracht und mehrere Leichen geborgen, darunter viele Kinder.“

Frontex: „Das fliegende Auge“

Frontex erhält EU-Investitionen von 103 Millionen Euro für unbemannte Luftfahrzeuge, während sich die Staatenunion schon vor Monaten von Schiffsmissionen zurückgezogen hat. Parallel dazu werden praktisch alle Such- wie Rettungsschiffe von Hilfsorganisationen – nicht zuletzt durch die Politik Italiens – aus dem Mittelmeer verdrängt. Stattdessen fliegen Frontex-Überwachungsdrohnen über die libysche Küstenregion hinweg, in der längst keinerlei EU-Rettungsaktionen mehr stattfinden. Diese Abstinenz von Hilfe betrifft das tödlichste Meeresgebiet weltweit.

Militär gegen Boat-people: Ausschaltung von Flugzeugen und Funk

Gestern schalteten die Luftstreitkräfte, die den militärischen Flugraum des zentralen Mittelmeers kontrollieren, die Funkkommunikation rund um Boote in Seenot und um NGO-Rettungsschiffe komplett aus, so dass letztere nur noch auf Sicht fahren konnten. Ausserdem ist den beiden NGO-Flugzeugen „Moonbird“ und „Colibri“ die Start- und Landeerlaubnis in Italien entzogen worden, weil die Seenotrettungsbegleitung aus der Luft nur mit „professionellen“ und staatsgenehmigten Mitteln durchgeführt werden dürfe.

Mission Lifeline: 100 Boat-people vor der Küste Libyens gerettet

Seit ein paar Tagen ist die „Mission Lifeline“ wieder auf dem Mittelmeer aktiv. Am vergangenen Freitag war die Besatzung mit ihrem neuen Boot „Eleonore“ von Italien aus aufgebrochen und hatte am Wochenende die libysche SaR-Zone erreicht. Heute meldete der Kapitän des Bootes Claus-Peter Reisch, dass 100 Migrant*innen in letzter Minute gerettet werden konnte, weil deren Boot bereits am Sinken war. Während des Rettungseinsatzes wurde die Crew der „Eleonore“ von einem Schiff der libyschen Küstenwache bedroht. Besatzungsangehörige der „Mare Jonio“ der NGO „Mediterranea Saving Humans“, die der „Eleonore“ Unterstützung angeboten hatten, berichteten von massiven Störungen des Funk- und Radarverkehrs: „Wir konnten keine Nachrichten empfangen und unsere Navigationsinstrumente haben getillt.“

„Ein europäisches ‚Mare Nostrum‘ statt Operation Sophia 2.0“

In einem Gastkommentar in der NZZ liefert Tobias Pietz von dem in Berlin ansässigen Zentrum für Internationale Friedenseinsätze Argumente gegen eine Neuauflage von EUNAVFOR Med – Operation Sophia, für die sich Angela Merkel ausgesprochen hat. Stattdessen brauche es eine reine staatlich organisierte Seenotrettungsmission im Stile des Einsatzes „Mare Nostrum“, den Italien 2013-14 im Mittelmeer im Alleingang durchgeführt hatte. Diese Mission könnten diejenigen Staaten gemeinsam umsetzen, die aktuell das größte Interesse an einer funktionierenden Seenotrettung. Eine solche Mission „wäre auch eine gute Gelegenheit, sich im Nachhinein bei Italien zu entschuldigen, dass man es seit 2014 im Stich gelassen hat“. 

„Flüchtlingspolitik in Italien: Kein Kurswechsel zu erwarten“

Auch unter einer M5S-PD-Regierung ist nicht zu erwarten, dass Italien zur Mare-Nostrum-Mission von 2013 und 2014 zurückkehrt, als die Regierung Schiffe der Marine und der Küstenwache zu Rettungseinsätzen vor Libyens Küste schickte. Doch wenigstens der offene Krieg gegen die NGOs, ihre juristische und administrative Verfolgung, könnte ein Ende finden.

Open Arms, Staatsanwalt von Agrigent ordnet Beschlagnahme des Schiffs und Anlandung der Migrant*innen an

Heute Vormittag war der Staatsanwalt von Agrigent Luigi Patronaggio an Bord der „Open Arms“, im Anschluss daran hat er die vorläufige Beschlagnahme des Schiffs und die sofortige Anlandung der verbliebenen Migrant*innen auf Lampedusa angeordnet. Fast zeitgleich hatte die Regierung in Madrid mitgeteilt, dass in Andalusien ein Schiff der spanischen Marine auf die Überfahrt nach Lampedusa vorbereitet werde, um die Boat-people und die Besatzung der „Open Arms“ auf die Balearen zu bringen. Dies wäre ein Präzedenzfall: noch nie ist ein Mitgliedsstaat der EU mit einem Schiff der eigenen Marine in das Hoheitsgewässer eines anderen Mitgliedsstaats eingedrungen, um Migrant*innen, die dort nicht an Land gehen durften, zu evakuieren