Stimmen von Boat-people zu Seehofers EU-Gipfel in Luxemburg

Die Stimmen von 90 Boat-people, die in diesen Tagen auf der Flucht nach Europa ertrunken sind, müssten auf der Innenministerkonferenz der EU-Staaten am morgigen Dienstag in Luxemburg nachhallen, aber man wird sie nicht hören wollen. Ebenso wenig werden die Innenminister die Stimmen von Zehntausenden Fussballfans wahrnehmen wollen, die auch am vergangenen Wochenende in den nordafrikanischen Stadien singend schrien: „Gebt mir ein Boot, damit ich vor der Armut und den Demütigungen fliehen kann!“

Malta, „Durchbruch klingt anders“

Noch bevor sich die Innenminister von Frankreich, Italien, Deutschland Malta und Finnland heute in Valetta zusammengesetzt haben, um über Umverteilungsquoten von Migrant*innen, die im Mittelmeer gerettet wurden, zu verhandeln, haben mehrere NGOs in einer gemeinsamen Erklärung ihre Forderungen an das Treffen öffentlich gemacht. Obenan steht der Appell, alle konfiszierten zivilen Rettungsboote unverzüglich freizugeben, damit diese ihre Mission wieder aufnehmen können und nicht noch mehr Menschen ihren Versuch, nach Europa zu gelangen, mit dem Leben bezahlen. Wir dokumentieren den Text, den u.a. Sea-Watch, Mediterranea Saving Humans, Welcome to Europe, Borderline Europe und Watch The Med Alarmphone unterschrieben haben, auch um die Ergebnisse des Ministertreffens an den Forderungen derer zu messen, die in den letzten Monaten vor allem Menschen in Seenot gerettet haben.

Tunesien bringt Flüchtlingsschiffe auf – NGO-Seenotrettung weiterhin blockiert

Auf Druck der italienischen Regierung hat die tunesische Küstenwache 5 Flüchtlingsboote abgefangen und die knapp 100 Boat-people zurück nach Tunesien gebracht. Malta hat nur 35 der 219 Geretteten von der „Ocean Viking“ übernommen, dem Rettungsschiff von „SOS Méditerranée“ und „Ärzte ohne Grenzen“. Das Alarmphone berichtet, dass lokalisierte Schiffbrüchige bis zu 13 Stunden warten mussten, bis sie von maltesischen Küstenwachen gerettet wurden. Die meisten NGO-Seenotrettungsschiffe sind nach wie vor in europäischen Häfen blockiert bzw. konfisziert.

Seehofer-Erdogan: Geheimverhandlungen über 2. schmutzigen Deal

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan will 3 Millionen syrische Geflüchtete, sogar syrische Geflüchtete der griechischen Ägäis-Inseln, in eine türkisch kontrollierte Sicherheitszone in Syrien deportieren. Die künftigen Lager in der Sicherheitszone und wohl auch die Massendeportation will er sich mit vielen Milliarden Euro von der EU, vor allem aus Deutschland, finanzieren lassen, wie es türkische Massenmedien am 19.09.2019 bekanntmachten. Derzeit laufen laut der Internetseite „Nordic Monitor“ Geheimverhandlungen mit Kanzlerin Angela Merkel, Innenminister Horst Seehofer und EU-Instanzen in Brüssel. Die Pläne erscheinen sehr unrealistisch.

Libyen: Bootsflüchtling nach Push-Back „auf der Flucht erschossen“

Wie das italienische Fernsehen „TG-la7“ am 20.09.2019 meldet, haben „Bewaffnete“ im Hafen von Tripolis einen sudanesischen Gefllüchteten vor den Augen von IOM-Mitarbeitern erschossen. Nach der Anlandung von abgefangenen und zurückdeportierten Boat-people habe sich der Sudanese dagegen gewehrt, zurück in ein Internierungslager gebracht zu werden, er sei „auf der Flucht erschossen worden“, laut IOM.

„Italien: Was von Salvini bleibt“

Faktisch hält die neue italienische Regierung nach wie vor an der Politik der geschlossenen Häfen fest: weder die „Alan Kurdi“ noch die „Ocean Viking“ können in italienische Gewässer einfahren und die Boat-people in Italien sicher an Land bringen, ohne befürchten zu müssen, dass die Boote beschlagnahmt werden und die NGOs Bußgelder in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro bezahlen müssen. Noch gilt das „Sicherheitsdekret bis“, das die alte Regierung mit den Stimmen des M5S wenige Tage vor dem Misstrauensvotum des Lega-Innenministers Salvini verabschiedet hatte. Geändert hat sich die Tonlage, geändert hat sich auch, dass führende Vertreter der PD fordern, private Rettungsboote müssten „ohne Wenn und Aber in einen Hafen einfahren“ können. Deren Parteigenosse Minitti hat als damaliger Innenminister allerdings die fürchterlichen Verträge mit der Scheinregierung in Libyen zu verantworten, welche die Überfahrten nach Europa drastisch reduziert und die KZ-ähnlichen Lager in Libyen gefüllt haben. Im Unterschied dazu setzen Ministerpräsident Conte und seine neue Koalition nun auf Europa: da eine umfassende Reform des Dublin-Abkommens auf die Schnelle nicht durchsetzbar ist, strebt die neue Regierung eine pragmatische Lösung an. Wer auch immer in Italien oder Malta anlandet, soll innerhalb eines Monats von anderen europäischen Ländern aufgenommen werden. Gemäß der Maxime: die Migrant*innen wollen nicht nach Italien, sondern nach Europa.