When Hadda Chalbi received a call from the local hospital last week, she did not expect to be told that her only brother had set himself on fire and fallen into a coma.
Unemployed, physically disabled and with a child on the way, Hammadi Chalbi’s desperation had become too much to bear, leading the 32-year-old to self-immolate outside the local government offices in Maktar, some 160 kilometres (99 miles) southwest of Tunis.
The local administration had repeatedly declined to issue Hammadi a vendor’s permit, Hadda told Al Jazeera, which she attributed to favouritism within the local government.

Al Jazeera 11.04.20

Infolge des Lockdown, der seit Mitte März besteht, kam es zu lokalen Protesten in mehreren Städten und im kleinen Ort Maktar zu einer weiteren Selbstverbrennung. Weit über 1000 Personen wurden wegen Verletzung der Ausgangssperre inhaftiert, die meisten von ihnen aber Ende März freigelassen.

Der Lockdown wurde Anfang April verlängert. Angesichts drohender weiterer Aufstände wurden Nothilfen für die Armutsbevölkerung, die dem Lockdown ohne Ressourcen ausgesetzt ist, beschlossen. Das Geld ist Teil eines Pakets von Notkrediten in Höhe von 1,3 Mrd Dollar – aber 155 Millionen sind nicht viel angesichts der ökonomischen Auszehrung der ärmeren Bevölkerungsschichten in den letzten Jahren, besonders in den küstenfernen Regionen, und der unabsehbaren Folgen des Stillstands.

In an attempt to mitigate the effect of the measures on businesses and head off potential social unrest, Prime Minister Elyes Fakhfakh announced in late March that 2.5 billion dinars ($850m) would be allocated to combat the social and economic effects of the crisis.

The package included some 450 million dinars ($155m) in aid to poor families or those who have lost their jobs due to the coronavirus outbreak, in addition to a postponement on taxes on small and medium-sized businesses and delaying repayments for low-income employee loans.

Tunis also received financial support and pledges from a range of external actors. The International Monetary Fund (IMF) approved a $745m loan to the North African country and the European Union granted 250 million euros ($273m).
Italy also announced it would grant Tunisia 50 million euros ($55m) while the Jeddah-based Islamic Development Bank has announced plans to lend Tunisia $280m.

Al Jazeera 11.04.20

Den Gebern ist die Schlüsselstellung, welche die tunesische Aufstandsbewegung vor 10 Jahren eingenommen hat, noch gut in Erinnerung. Die Selbstverbrennung von Mohamed Bouazizi in der Provinzhauptstadt Sidi Bouzid war der Startpunkt der Arabellion – und damit auch Startpunkt einer grandiosen Migrationsbewegung. Die Überwindung der Ausgangssperre hatte in den letzten Tagen des Regimes Ben Ali eine entscheidende Rolle gespielt. Die Überwachung der Straßen in Tunis – u.a. mit einem Roboterfahrzeug – weckt Erinnerungen:

Zehn Jahre nach dem Ende der Diktatur von Machthaber Zine al-Abidine Ben Ali sind die Erinnerungen an die Überwachungstechniken des alten Regimes mit seinem Spitzelsystem noch präsent. Damals waren Zensur, das Abhören von Telefongesprächen, die Überwachung von E-Mails und die Gängelung von Oppositionellen an der Tagesordnung. Kommen durch das Coronavirus die alten Reflexe bei den Sicherheitskräften wieder hoch? Wird die Eindämmung der Pandemie genutzt, um die noch jungen Freiheiten der Bürger wieder einzuschränken? […]

Neben dem Polizeiroboter will die tunesische Regierung in Zukunft noch weitere Hochtechnologie einsetzen, um das Virus zu bekämpfen. So hat Anis Youssef, Innovationsdirektor des Unternehmens Telnet, der Regierung zwei Drohnen mit Thermokameras gespendet, wie sie auch in China eingesetzt wurden. In wenigen Tagen sollen sie in Betrieb gehen. Youssef erklärt, damit könnten zum Beispiel in Menschenansammlungen Personen mit erhöhter Temperatur identifiziert, fotografiert und nach ihrer Identität gefragt werden. Diese Daten könnten dann direkt vom Innen- ans Gesundheitsministerium übermittelt werden.

NZZ 03.04.20

Seit Anfang der Woche sind nun Abschiebehäftlinge in Tunis in einen unbefristeten Hungerstreik getreten und fordern, ebenfalls freigelassen zu werden.

TUNIS taz | Seit Jahren steht Tunesien für seine Haft- und Abschiebepraxis von Migrant*innen in der Kritik. Nun haben Häftlinge ihr Schicksal angesichts der Corona-Pandemie selbst in die Hand genommen. Seit Anfang der Woche sind 33 Insassen der berüchtigten Haftanstalt Wardia in der Hauptstadt Tunis in einem unbefristeten Hungerstreik.
Die Insassen protestieren gegen unzureichende medizinische Versorgung und fordern aufgrund der Pandemie ihre sofortige Freilassung. Sie befürchten, dass das Corona-Virus früher oder später in das ausschließlich für Migrant*innen genutzte Zentrum eingeschleppt wird und sich angesichts der beengten Räumlichkeiten schnell ausbreitet. […]

Schon im Normalbetrieb sind die Lebensbedingungen in Wardia schwierig und entsprechen nicht den internationalen Standards. Derzeit sind rund 50 Menschen aus Algerien, Marokko, Senegal, Kamerun und anderen afrikanischen Staaten in der offiziell als „Empfangs- und Orientierungszentrum“ bezeichneten Anstalt interniert.

taz 10.04.20

Corona-Control: Tunesien – Selbstverbrennung und Hungerstreik