Reportage über die Situation der Migranten in der bosnischen Stadt Bihać, die immer wieder versuchen, die Grenze nach Kroatien zu überqueren, um so in die EU zu gelangen.

(…) Am Rand der bosnischen Grenzstadt, durch die der schönste aller bosnischen Flüsse, die Una, sprudelt, sind in einem alten Lagerhaus etwa 3.500 Migranten untergebracht. Insgesamt befinden sich etwa 4.000 Ausländer im Kanton Una-Sana. Das Bira-Zentrum liegt im Industriegebiet, gegenüber einer Tankstelle und einem Bauhaus, wo sonst eigentlich nur untertags etwas los ist. Doch seit die Migranten im Vorjahr gekommen sind, herrscht hier immer reges Treiben.

Es ist ein Ort des Kommens, Gehens und vor allem des Zurückkommens. Denn die meisten jungen Männer, die von hier aus ihren Marsch zur Grenze antreten, landen wieder in dem von der Internationalen Migrationsorganisation (IOM) betreuten Camp. „Etwa 70 Prozent werden von der kroatischen Polizei abgefangen“, erzählen ein paar Pakistaner aus dem Punjab, die gerade von einem Spaziergang zurückgekehrt sind.

[…] Von Zeit zu Zeit verlassen Gruppen von Männern, mit Rucksäcken bepackt, die Unterkunft und lassen sich wieder auf das ein, was man hier „das Spiel“ nennt: Sie gehen in Richtung der Hügelkette, wo die Grenze liegt, stapfen oft durch einen halben Meter Schnee und versuchen sich vor den kroatischen Polizisten zu verstecken. „Wenn die uns sehen, fragen sie: Woher kommt ihr?, und dann treiben sie uns sofort zurück Richtung Bosnien“, erzählt der 26-jährige Iraner Reza R. aus Teheran.

So wie alle hier hat auch er es schon ein paar Mal versucht. Das letzte Mal haben die kroatischen Polizisten derart auf seinen Finger geprügelt, dass der Nagel noch heute schwarz ist. Reza zeigt auch Fotos von den Striemen, die Polizeiprügel auf dem Rücken und der Schulter seines Freundes hinterlassen haben. […]

Untertauchen in Italien

Mittlerweile ist „Italy“ – und nicht mehr „Germany“ – zum beliebtesten Zielland für die meisten Migranten geworden. Denn der größte Teil der Reisenden kommt aus Pakistan. Die, die hier in Bihać gelandet sind, wissen, dass sie ohnehin in keinem Land Europas Asyl bekommen werden, in Italien ist es aber leichter möglich unterzutauchen. Die Reise nach Europa – die meisten kommen über die schlecht gesicherte Grenze von Serbien nach Bosnien-Herzegowina – hat sie bisher etwa 7.000 Euro gekostet. Viele sind mit dem Talgo aus Sarajevo angereist, eigentlich ein Schnellzug, der sich durch schnaufartige Geräusche darüber zu ärgern scheint, das das Schienennetz in Bosnien-Herzegowina so schlecht ist. […]

derStandard | 21.01.2019

„Das ‚Spiel‘ der Migranten an der EU-Außengrenze“