Bei bewaffneten Zusammenstößen zwischen bewaffneten Milizen in der libyschen Hauptstadt Tripolis sind seit Ende August mindestens 115 Menschen getötet und über 550 Menschen verletzt worden. Unter den Getöteten sind sowohl Zivilisten als auch Milizangehörige. Die Zahl der Toten könnte aufgrund der schweren Verwundungen noch steigen. Der UNHCR hat die Evakuierung von Migrant*innen inzwischen eingestellt. Viele machen sich nun selbständig auf den Weg an die Küste.

[…] Die konkurrierenden schwerbewaffneten Gruppen der Hauptstadt hatten sich nach dem Aufstand gegen Staatschef Muammar al-Gaddafi vor sieben Jahren Zugang zu Ministerien und Banken verschafft. Auf ihren Lohnlisten stehen mindestens 270 000 »Revolutionäre«, die nun offiziell Teil von Armee oder Polizei sind, aber dennoch autonom handeln. Milizen-Kommandeure wie Haithem Tahouri oder Abdulrauf Kara kontrollierten nicht nur die Straße, sondern auch die Übergangsregierung, sagen selbst Berater von Premier Fayez Serradsch.

Die von dem kartellähnlichen System ausgeschlossenen Gruppen außerhalb der Zwei-Millionen-Stadt hatten schon länger ihre Unzufriedenheit mit dem Status quo verkündet. Doch Unterhändler der UN und Italiens kooperierten mit den Warlords, um ihre Botschaften und die Regierung zu sichern, die ihre eigenen Sicherheitskräfte seit Monaten nicht bezahlen kann. Um die Migration nach Europa zu stoppen und die auf dem Mittelmeer von der libyschen Marine Geretteten aus Libyen zu evakuieren, sollten die Missionen des UN-Flüchtlingshilfswerkes (UNHCR) und der Organisation für Migration nach vierjähriger Pause wieder im Land operieren. Ende Juli sollte das erste Lager für Migranten vom UNHCR übernommen werden. Doch die Forderungen der bisher in dem Camp nahe des Regierungssitzes herrschenden Miliz zeigten, dass die Mehrheit der über 10 000 Milizionäre in Tripolis sich an Abkommen nicht gebunden fühlt.

Die Einheitsregierung von Serradsch stützt sich auf die »Tripolitaner Verteidigungseinheiten«. Diese von Islamisten dominierte »7. Briga-de« erhält Unterstützung aus Misrata und anderen Orten Westlibyens. General Khalifa Haftar, der Machthaber in Bengasi und im Osten Libyens, droht nun, seine Truppen würden »zu gegebener Zeit und auf die richtige Weise« in Tripolis eingreifen. Haftar hat Ambitionen, die Macht in ganz Libyen an sich zu reißen.

Der Sprecher des UNHCR, Tarek Argaz, bestätigte, dass die Evakuierung von Flüchtlingen über den Stadtflughafen Maitiga eingestellt wurde. Viele Migranten machen sich nun auf den Weg an die Küste, in der Hoffnung, einen Platz auf einem Boot nach Europa zu ergattern, berichten ein Helfer des Roten Halbmondes in der Hafenstadt Zauwia. Mohamed Sifau befürchtet, dass die Flüchtlingslager bald auch voller Libyer sein werden. »Nach 2011 und 2014 ist dies der dritte Krieg um Tripolis. Es scheint es der blutigste zu werden.«

ND | 24.09.2018

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„Der dritte Krieg in Tripolis in sieben Jahren“