Zeit Online berichtet am 03.04.2019 über den (mutmaßlichen) Anstieg illegalisierter Menschen in Europa. Die restriktive Asylpraxis hat eine zweite Seite:

In Seehofers Innenministerium, bei den Nachrichtendiensten, in der Brüsseler Kommission gibt es zahlreiche Experten, die wie Schuster der Ansicht sind, dass die heimliche Migration in die EU, also die Einwanderung außerhalb der Asylsysteme und offiziellen Flüchtlingsstatistiken, rasant zunimmt. Vor allem in Spanien, wo derzeit ein Großteil der Flüchtlinge und Migranten anlandet, taucht eine wachsende Zahl von ihnen gleich nach der Ankunft unter. […]

Wer einen Job suche, heißt es, wolle nicht in Bulgarien, Griechenland, Italien oder Spanien bleiben. Außerdem werde es immer schwieriger, legal zum Zweck einer Arbeitsaufnahme in die EU einzureisen. Nach einem noch unveröffentlichten Bericht der Internationalen Organisation für Migration ist die Zahl der Migranten aus 21 afrikanischen Ländern, die mit einer Arbeitserlaubnis in die EU kamen, zwischen 2011 und 2017 um mehr als die Hälfte gesunken. Wer in Europa Geld verdienen will, sucht daher oft andere Wege.

Fast zwei Drittel der gut 65.000 Menschen, die im letzten Jahr, überwiegend von Marokko aus, in Spanien gelandet sind, haben keine Antrag auf Asyl gestellt – sie sind untergetaucht. Gut die Hälfte dieser Personen stammte aus Marokko (13.076), Guinea (13.053) und Mali (10.340). Doch um Asyl in Spanien bat nur jeder zehnte Migrant aus Marokko und nur jeder zwanzigste aus Guinea oder Mali.

Niemand kann sagen, wie viele Untergetauchte es wirklich gibt. Franck Düvell schätzt, es seien pro Jahr in der EU einige Zehntausend. Düvell leitet seit Oktober 2018 die Abteilung Migration am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung, einer von mehreren Universitäten und Ministerien gegründeten Institution in Berlin, die unter anderem die Bundesregierung berät. Düvell arbeitet zurzeit daran, einen Überblick über illegale Migranten in Deutschland zu gewinnen. Die letzte belastbare Schätzung stammt aus dem Jahr 2009 und belief sich auf insgesamt 300.000 bis 500.000. Inzwischen seien es eher mehr, glaubt Düvell, die globale Finanzkrise, der Krieg und die Wirtschaftskrise in der Ukraine, die Konflikte in Syrien und Afghanistan forderten ihren Preis, „aber die Zahl wird immer noch deutlich unter einer Million liegen“.

Die meisten der in Spanien angelandeten Menschen fahren weiter nach Paris, oder weiter nach Brüssel oder in die Nordschweiz. Derweil landen in Lampedusa und Sizilien eine große Anzahl von „Phantombooten“:

Weil die private Seenotrettung auf dem Mittelmeer zum Erliegen gekommen ist, haben Schlepper ihre Strategie umgestellt und liefern ihre Passagiere inzwischen direkt an Italiens Küste ab. Im Schutz der Dunkelheit, manchmal aber auch am helllichten Tag, landen an Touristenstränden kleine Boote an, Fischkutter oder Segelboote, die nach Schätzungen lokaler Ermittlungsbehörden in Sizilien mehrere Hundert Passagiere im Monat vor allem aus Tunesien, aber auch aus Algerien herüberbringen. Zehn bis dreißig Personen steigen aus, kleine Beutel in der Hand mit etwas Wäsche und einer Flasche Wasser – und eine halbe Stunde später sind sie verschwunden, niemand weiß, wohin.

Der Artikel berichtet weiter über ukrainische Saisonarbeiter*innen in Polen, deren Zahl schon im Jahre 2017 mehr als eine Million betrug.

„Die Unsichtbaren“