Unter diesem Titel schreibt Simone Schlindwein in der TAZ vom 17.07.2019 über neue Fluchtwege aus Eritrea über Uganda und Malaysia bis nach Südamerika und weiter nach Nordamerika.

Der interessante Aspekt ihres Artikels ist sicherlich der Hinweis auf die Verlagerung der Migrationsroute nach Uganda. Die Fortsetzung der Route „einmal rund um die Erde“ können sicherlich nur wenige Migrant*innen bezahlen – aber diese Migration könnte für die Ausweitung globaler Netzwerke doch eine Rolle spielen.

Der Fluchtweg nach Europa ist versperrt. Wer aus Eritrea weg will, nimmt jetzt ganz neue abenteuerliche Routen. Bis an Mexikos Grenze zu den USA Schluss ist, verdienen die in Uganda basierten Schleuser an den Flüchtlingen. […]

Die Zahl der afrikanischen Migranten, die Mexiko auf dem Weg in die USA durchqueren, habe sich seit Anfang des Jahres verdreifacht, meldeten Anfang Juli mexikanische Behörden. Die wichtigsten Herkunftsländer der rund 1.900 registrierten afrikanischen Geflüchteten sind demnach zwei Konfliktländer: Kamerun und Demokratische Republik Kongo, so die offiziellen Angaben. Doch die eritreische Organisation „Africa Monitors“, die die Fluchtrouten aus Eritrea recherchiert, erfährt über die sozialen Medien von immer mehr Eritreern, die ebenfalls diese Route gen Amerika einschlagen. „Meist über komplizierte Umwege“, sagt Zecarias Gerrima, Vizedirektor von Africa Monitors. Viele dieser Wege führen über Uganda, wo Africa Monitors seinen Sitz hat. […]

Vor der Grenzöffnung (Eritrea / Äthiopien, im September 2018) flohen monatlich rund 5.000 Eritreer heimlich über die geschlossenen Grenzen ihres Landes. Die meisten mussten dafür Schlepper bezahlen oder riskierten, auf der Flucht erschossen zu werden. Der brutale Militär- und Zivildienst, der alle Männer und Frauen direkt nach dem Schulabschluss fast ein halbes Leben lang verpflichtet, galt bislang als Hauptgrund, warum junge Eritreer fliehen.
Die meisten machten sich bis dahin über Sudan auf gen Libyen an die Mittelmeerküste. Ihr Ziel: Europa. Über diese Route sind seit dem Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 allein 70.000 Eritreer in Deutschland angekommen, so das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf).

Auch Philippos’ Ziel war Europa, berichtet er. Doch als er sich in äthiopischen Flüchtlingslagern nach Schleppern umhörte, erfuhr er, die bisherige Fluchtroute über Sudan nach Libyen sei dicht. […]

Aus europäischer Sicht hat die Zusammenarbeit mit Sudan offenbar funktioniert. Das Bamf in Deutschland meldet seit der äthiopisch-eritreischen Grenzöffnung im September 2018 einen deutlichen Rückgang der neuen Asylsuchenden aus Eritrea in Deutschland. Bislang haben jährlich rund 11.000 Eritreer in Deutschland Asyl beantragt. Im Jahr 2018 war es nur noch die Hälfte. Laut Bamf-Angaben ging die Zahl nach der Grenzöffnung besonders drastisch zurück.
Doch das heißt nicht, dass weniger Menschen aus Eritrea fliehen. Tatsächlich habe sich die Zahl der Geflüchteten aus Eritrea sogar verdoppelt, so Gerrima. Seinen Recherche zufolge sind seit der Grenzöffnung bis zu 200.000 Eritreer allein in Uganda angekommen. […]

Eritreische Schlepper, die früher in Sudan und Libyen tätig waren, haben sich nach Uganda verlagert. Aufgrund der immensen Korruption in Ugandas Immigrationsbehörden ist es einfach, frische Reisepässe zu besorgen. Von Uganda aus kann man visumsfrei in die Nachbarländer reisen oder auch in das befreundete Malaysia. Von dort aus werden dann über die weltweit aktiven eritreischen Schleppernetzwerke Visa für Südamerika beschafft. […]

„Eritreische Flüchtlinge werden jetzt bis nach Nordamerika geschleust“, so der Eritreer Gerrima, der mit zahlreichen Landsleuten auf dieser neuen Route via Facebook und Whatsapp in Kontakt steht. „Sie fliegen von afrikanischen Flughäfen über Umwege nach Südamerika – zum Beispiel Uruguay. Von dort geht es mit dem Auto weiter“, erklärt Gerrima: „Weil sie Kontrollen meiden müssen, kann das ein, zwei, sogar sechs Monate dauern – oder sogar Jahre.“
Teuer ist die neue Route auch. Bis zu 30.000 Dollar zahlen Flüchtlinge pro Person. Ein gutes Geschäft für die Schlepper. Das Geld investieren sie in Restaurants, Hotels und Supermärkte in Uganda – offenbar von den Behörden unbemerkt. Moses Binoga, in Ugandas Einwanderungsbehörde zuständig für die Bekämpfung von Menschenhandel, erklärt der taz, von eritreischen Schleusernetzwerken wisse er nichts. Es könne jedoch durchaus sein, dass Uganda für viele Geflüchtete als Transitland diene.

„Der EU-Deal mit Sudan und Libyen, Schleusertum zu bekämpfen, funktioniert nicht“, so Gerrimas Bilanz. „Er hat die Schlepper nur klüger gemacht.“ Jetzt gehen die Routen über mehrere Flughäfen in unterschiedlichen Kontinenten mit mehreren Visa. „Das lässt sich nicht mehr einfach kontrollieren“, sagt der Eriteer und warnt: „Wenn jemand so viel Mühe und Geld da hineinsteckt, dann wird dieses Netzwerk bestehen bleiben, selbst wenn es Frieden in Eritrea gibt.“

taz | 17.07.2019

„Einmal rund um die Erde“