Was würde passieren, wenn ein Flüchtlingsschiff an einer deutschen Küste ankommen würde? Der Zugang zum Asylverfahren müsste gewährt werden. Dies schreiben nationales und europäisches Recht vor. Die Verbote Italiens und Maltas, in den Hafen einzufahren, verletzen EU-Recht.

Volker Westphal

Sommer 2019. „Flüchtlinge im Mittelmeer“ ist seit Wochen eines der beherrschenden Themen in Politik und Medien. Appelle zu humanitären Lösungen, politische Statements, populistische Abwehrreaktionen und Hasskommentare prägen das Spektrum der Reaktionen. Eine junge Kapitänin, Carola Rackete, wird von den einen als Heldin gefeiert, von anderen als kriminelle Schlepperin verdammt. Der Forderung des italienischen Innenministers, die Frau wegen Schlepperei und Anwendung von Gewalt gegen ein italienisches Kriegsschiff ins Gefängnis zu werfen, begegnete das Gericht in Agrigento (Sizilien) jedoch mit einem Freispruch. Dejavu! Ähnlich ist es bereits dem Lübecker Kapitän Stefan Schmidt mit dem Schiff „Cap Anamur“ ergangen, der 2004 Flüchtlinge aus Seenot gerettet und gegen den Willen der italienischen Regierung in einen italienischen Hafen gebracht hatte. Schwere Vorwürfe, tagelange Inhaftierung, auch von deutschen Politikern unter Schlepper-Verdacht gestellt, langer nervenaufreibender Prozess – schließlich aber 2009 der erlösende Freispruch, wiederum vom Gericht in Agrigento.

Deutschland mit seinen Nord- und Ostseeküsten ist derzeit nicht mit humanitären Katastrophen konfrontiert, wie sie sich seit Jahren im Mittelmeer, in den Häfen und an den Stränden der Anrainerstaaten abspielen. Doch wird die Frage aufgeworfen, wie sich denn Deutschland in entsprechenden Situationen verhalten würde? So fragt der Mitteldeutsche Rundfunk: „Und wenn die Sea-Watch 3 Rostock angesteuert hätte?“ Der Sender prognostiziert: „Auch deutsche Behörden hätten die Sea-Watch abgewiesen“.

Mit Verlaub – das dürfte unwahrscheinlich sein. […]

FluchtforschungsBlog | 30.07.2019

„Flüchtlinge im Mittelmeer und ihr Recht auf Zugang zum Asylverfahren der Europäischen Union“