„Gerald Knaus (Österreich) ist Vorsitzender der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI). Er studierte in Oxford, Brüssel und Bologna und unterrichtete Wirtschaftslehre an der Staatlichen Universität von Tschernowitz in der Ukraine und arbeitete in Bosnien fünf Jahre lang für verschiedene NGOS und internationale Organisationen. … Er ist Gründungsmitglied des European Council on Foreign Relations und war für fünf Jahre Associate Fellow am Carr Center for Human Rights Policy der Harvard University Kennedy School of Governance in den USA, wo er 2010/2011 zu State Building und Interventionen unterrichtete. 2016/2017 war er Mercator-IPC Senior Fellow in Istanbul und ist derzeit Fellow am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien. Er lebt in Berlin und schreibt den Blog www.rumeliobserver.eu.“

So beschreibt die Seite dieser „Europäischen Stabilitätsinitiative“ die Vita ihres Vorsitzenden. Knaus wurde bekannt als Inspirator des von ihm so genannten „Merkel-Plans“, also des EU-Türkei-Deals, und eines zusammen mit Gesine Schwan entwickelten Plans, der Hot-Spots in der europäischen Peripherie mit dem Konzept einer größeren kommunalen Autonomie in Europa zu verbinden sucht. Das Konzept, mit kühnen Vorhaben Anschluss an die große Politik zu gewinnen, führt Gerald Knaus nun an neue Ufer. Thomas Pany schreibt auf Telepolis:

Wichtig für seine Position ist, dass er den Anspruch erhebt, eine faire Lösung zum Stopp der irregulären Migration und dem damit verbundenen Sterben im Meer und den unmenschlichen Bedingungen der Migranten in Libyen zu entwickeln.


Seine Grundidee lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Asylbehörden sollen nicht in den Zielländern auf die Migranten warten und dann deren Anträge bearbeiten, sondern in enger Zusammenarbeit möglichst nah an den kritischen Orten schnell klären, wer einen Anspruch auf einen Schutz in der EU geltend machen kann. Jene, die keinen Schutz in der EU brauchen, sollten wiederum schnell zurückgeschickt werden. Dazu brauche es „menschenrechtskonforme Abkommen mit Transit- und Herkunftsländern“.

Telepolis 04.02.20

Zur Krise in Libyen hat Knaus sich in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ geäußert, welches Thomas Pany in seinem Artikel zitiert. In diesem Interview kritisiert Knaus die Auswirkungen des Türkei-Deals, und natürlich könne doch das BAMF in Griechenland aushelfen, um mehr Menschen in die Türkei zurück zu weisen. Anderseits könnten so viele positive Dinge geschehen — doch die Politik hört nicht auf ihn!

Zu Libyen sagt Gerald Knaus dann folgendes:

Wer fordert, die EU müsse zur Seenotrettungspolitik von 2016 zurückgehen, als 181.000 Menschen über das Meer nach Italien kamen und 4.600 ertranken, verliert. Im letzten Jahr kamen nur 12.000 nach Italien und es ertranken weniger als 800. Wenn Wähler in Europa die Wahl haben zwischen der Situation 2016 und der 2019, würden Mehrheiten 2019 wählen. Da kamen weniger, und es ertranken weniger.

Tagesspiegel: Die sterben jetzt an Land.

Es kommen heute auch weniger Westafrikaner nach Libyen als zuvor. Doch die ernste Frage müsste sein: wie erreicht man das, ohne sich auf Milizen zu stützen oder die Seenotrettung zu behindern? Solange die einzigen verständlichen Vorschläge, wie man irreguläre Migration reduzieren kann, von Orbán oder Salvini kommen, werden die die Debatte am Ende immer gewinnen.

Tagesspiegel 02.02.20

Im weiteren Verlauf des Interviewes erklärt Knaus, dass er eine Analogie zum (leider so schlecht funktionierenden) EU-Türkei-Deal nun mit Gambia plant:

Wir müssen beweisen, wie das, was wir vorschlagen, auf Lesbos oder mit einem westafrikanischen Land, tatsächlich funktionieren kann. Ich rede derzeit ununterbrochen mit Behörden in Gambia und in Deutschland über ein mögliches Pilotprojekt mit Gambia. Man bietet denen, die heute schon da sind, eine Chance zur Ausbildung und Arbeit. Gambia nimmt dafür sofort alle Straftäter und auch jeden, der ab diesem Stichtag nach Deutschland kommt, zurück. Und Deutschland bietet mehr Stipendien und legal Mobilität. Und wir stoppen so irreguläre Migration und das Sterben in Libyen und am Meer.

Offenbar sucht Gerald Knaus Folgeaufträge. Tunesien winkt konsequent ab, also Gambia? Soll der kleinste Staat Afrikas mit 2 Mill. Einwohner*innen ein großes Gefangenenlager werden? Oder ein neues Hongkong?

Der Plan erinnert an Überlegungen, extraterritoriale Zonen in Afrika zu schaffen, wo Investoren frei wären und Afrikaner*innen außerhalb aller Rechtssyteme arbeiten und Werte schaffen könnten. Vielleicht kann man Gambia kaufen?

Gerald Knaus: Verhandlungen mit Gambia