Die Stimmung ist komplett gekippt: Kein Willkommen mehr für Flüchtlinge

Die Situation für Flüchtlinge und Migranten in Griechenland hat sich in den letzten Monaten dramatisch geändert. Am 18. Dezember 2019, dem internationalen Tag der Migranten, befanden sich 41.363 Asylbewerber auf den griechischen Inseln. Ende April 2019 waren es nach offiziellen Angaben weniger als 15.000.

Eine in der vergangenen Woche erfolgte Meinungsumfrage zeigte, dass 55 Prozent der Griechen nicht mit der Asylpolitik der Regierung einverstanden sind. Die Umfrage stellt nicht klar, in welche Richtung die Politik gehen sollte. Allerdings zeigen zahlreiche Indizien auf, dass die Stimmung im Land komplett gekippt ist. Vorbei die Zeiten, als sich eine Mehrzahl der Griechen solidarisch zeigte.

Ein Bürgermeister rastet aus

„Go! Go!“ schallt es über den weihnachtlich geschmückten Platz von Vathy auf Samos. Nach einer längeren Regenperiode herrscht im gesamten Land eine Art Frühlingswetter, mitten im Dezember. Ein Mann rennt auf und ab. Er bedrängt Personen, die ihm als Asylbewerber erscheinen. Es ist der Bürgermeister von Ost-Samos, Giorgos Spantzos.

Er schubst die Menschen. „Fick dich, hau ab“, ruft er. Er hat keine rechtsradikale Vergangenheit. Spantzos war bis 2012 Mitglied der sozialdemokratischen PASOK, die seine politische Karriere förderte. Der studierte Steuerberater ist seit 1998 als gewählter Volksvertreter in der Kommunalpolitik von Samos tätig.

Eine Frau tritt auf ihn zu. Sie stellt ihn auf Englisch zur Rede. „Weg, gehen Sie weg bitte“, klingt es etwas höflicher von Seiten des Bürgermeisters. Die Frau gibt sich als Touristin zu erkennen. Ironisch lächelnd schiebt sie der Bürgermeister zur Seite. Eine in der Nähe stehende weitere Frau fragt auf Griechisch: „Was bist Du? Touristin? Ach lass, …“. Bevor sie zu Ende reden kann schiebt ein Polizist die beiden Frauen zur Seite. Aus dem Hintergrund sind die Schreie der Griechin zu hören, die von „Schlampen und Dreckspack“ spricht.

Die Szene ist Teil eines Videos. Der Polizist schlägt dem Kameramann kurz auf dessen Mobiltelefon und führt ihn ab. Die Kamera läuft weiter. Der Bürgermeister kommt ins Bild und sagt „fick dich“ zum Kameramann, der sich als Journalist zu erkennen gab.

Wenige Sekunden später ist Spantzos plötzlich gesprächsbereit. Er erklärt, dass er die öffentlichen Plätze für die Bürger wieder gewinnen wolle. Die Nachfrage, ob die Asylbewerber denn etwas zerstört hätten, übergeht er. Stattdessen beschwert er sich, dass erneut hoher Besuch vonseiten der Regierung und mit internationaler Beteiligung auf der Insel sei.

Der portugiesische Premierminister António Costa, der griechische Vizepremier Panagiotis Pikrammenos und der Koordinator der Regierung für Flüchtlinge und Migranten, Alkiviadis Stefanis hatten sich auf die Insel begeben.

Allerdings, klagt Spantzos, würde kein Regierungsvertreter mit ihm reden. Die Besucher, so Spantzos, würden wie in einem Gewächshaus vom realen Geschehen abgeschnitten entscheiden. „Hier ist unser Problem, hier müssten sie hinkommen, um es zu sehen. Wir wollen eine Lösung jetzt! Sie sollen von der Insel verschwinden, Ende!“, spricht’s und verschwindet.

Spantzos ist kein Einzelfall. So wie er reagieren Bürgermeister und Regionalgouverneure im gesamten Land. Niemand möchte ein Flüchtlingslager in seinem Bezirk haben. Ähnlich wie Premierminister Kyriakos Mitsotakis innerhalb der Europäischen Union vergeblich um die Solidarität seiner Amtskollegen und die Aufnahme von großen Kontingenten von Asylbewerbern bettelt, reagieren auch seine eigenen Parlamentarier, wenn es um ihren Wahlbezirk geht. […]

Telepolis | 22.12.2019

:::::

Immer mehr illegale Einreisen aus der Türkei

In einem Dokument der EU-Kommission, das der Tageszeitung „Welt“ vorliegt, heißt es: „Die Zahl der Ankünfte aus der Türkei in die EU im Jahr 2019 beträgt 70.002 – davon sind 67.741 Personen in Griechenland angekommen, 197 Personen in Bulgarien, 1803 in Italien und 261 Personen in Zypern.“ Der Anstieg der illegalen Einreisen aus der Türkei zwischen Anfang Januar und Mitte Dezember betrage gegenüber dem Vorjahreszeitraum 46 Prozent.

Unterdessen meldet die griechische Küstenwache, dass sie binnen eines Tages 136 Migranten in der Ägäis aufgegriffen habe. Weiteren 338 sei es gelungen, an Bord von Booten die Inseln Samos, Farmakonisi, Chios, Samothraki sowie die Hafenstadt Alexandroupolis auf dem griechsichen Festland zu erreichen. Alle diese Menschen seien aus der Türkei gestartet. Mittlerweile sind auf den griechischen Inseln im Osten der Ägäis nach jüngsten Angaben des zuständigen Ministeriums mehr als 41.000 Menschen untergebracht. Das ist die höchste Zahl, seitdem der EU-Türkei Flüchtlingspakt im März 2016 in Kraft trat. […]

DW | 17.12.2019

:::::

UN geißeln Bedingungen in griechischen Flüchtlingslagern

[…] Die konservative Regierung in Athen hatte in der vergangenen Woche die Schließung von drei Flüchtlingslagern auf den Ägäis-Inseln angekündigt. Die deutlich überfüllten Lager sollen durch neue geschlossene Einrichtungen mit Aufnahmekapazitäten von je mindestens 5.000 Menschen ersetzt werden. […]

DW | 27.11.2019

::::

Europas Gefängnisinsel

[…] Was die griechische Regierung für die Lösung hält, konstruieren Bauarbeiter fünf Kilometer entfernt, hinter einem Berg auf der anderen Seite der Bucht. Hier gibt es keine Häuser, keine Läden, soweit das Auge reicht. Kräne wuchten riesige Metallteile in die Luft, Bagger heben den Boden aus und errichten eine drei Meter hohe Mauer aus Beton. Obendrauf Stacheldraht. „Im Nato-Style“, ruft einer der Arbeiter. Die Mauer wird ein Haftlager schützen, das neue Flüchtlingsgefängnis Europas.

Bereits im Januar könnte es fertig werden. Alle Asylbewerber, die in Samos ankommen, sollen zunächst für bis zu 25 Tage hier untergebracht werden. Später sollen wohl Flüchtlinge mit guten Asylchancen das Lager tagsüber verlassen dürfen. In Ausnahmefällen kann die Haft jedoch um weitere 100 Tage verlängert werden, für Flüchtlinge, die abgeschoben werden sollen, sogar um 18 Monate. […]

Spiegel Online | 21.12.2019

:::::

Krawalle in Migrantenlager auf griechischer Insel Samos

[…] Im überfüllten Registrierlager Vathy auf der griechischen Insel Samos hat die Polizei massiv Tränengas eingesetzt, um randalierende Migranten auseinander zu treiben. Die überwiegend aus afrikanischen Staaten stammenden Menschen, mehrheitlich junge Männer, hatten zuvor die Beamten mit Steinen beworfen und Toiletten beschädigt. Eine in der Nähe des Camps liegende Schule wie auch ein Kindergarten mussten wegen der Tränengasschwaden evakuiert werden. Am Nachmittag beruhigte sich die Lage wieder.

Das griechische Festland als Ziel

Die Migranten fordern, dass sie zum Festland gebracht werden. Im Lager Vathy sind mehr als 7500 Menschen untergebracht, darunter viele Minderjährige. Das Camp hat eine Aufnahmekapazität für nur 648 Bewohner. Bereits im Oktober waren mehrere Menschen bei ähnlichen Ausschreitungen auf Samos verletzt worden. […]

DW | 19.12.2019

Griechenland: „Vorbei die Zeiten der Solidarität“