Beim heutigen Besuch von Angela Merkel in Algerien geht es vor allem um den Ausbau der Flüchtlingsabwehr. Die Abschiebung ausreisepflichtiger Algerier soll beschleunigt werden. Um das Verfahren zu erleichtern, will die Regierung Algerien zu einem ’sicheren Herkunftsland‘ erklären. Der Flüchtlingsabwehr dient auch das Engagement deutscher Rüstungskonzerne, welche die algerischen Streitkräfte mit Fahrzeugen und weiterem Gerät beliefert, das bei der Kontrolle der algerischen Landesgrenzen zum Einsatz kommt.

[…] Die Flüchtlingsabwehr prägt nicht nur die politischen, sondern auch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern: Die deutsche Ausfuhr nach Algerien, das drittgrößter Kunde deutscher Exportunternehmen in Afrika ist, besteht zu größeren Teilen aus Bausätzen für Militärfahrzeuge – darunter Transportpanzer -, für Radaranlagen und weiteres Gerät, die in Algerien montiert und bei der Abschottung der Grenze eingesetzt werden. Dass Algeriens Behörden Flüchtlinge in Massenabschiebungen zu Tausenden an der Südgrenze in der Wüste aussetzen – dabei kommen viele zu Tode -, ist für Berlin kein Hinderungsgrund.

[…] Die Forderung, Abschiebungen zu vereinfachen, gehört zu den Standardthemen bei Afrikareisen der Kanzlerin, zuletzt etwa bei ihrem Besuch in Nigeria (german-foreign-policy.com berichtete [1]). Dies gilt auch dann, wenn die Zahl derjenigen, die Berlin abschieben will, keine herausragende Größenordnung erreicht; so sind aktuell laut offiziellen Angaben 3.684 Algerier ausreisepflichtig. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Algerier, die in Deutschland Asyl beantragen, längst spürbar ab; sie lag im Jahr 2017 – nach 3.761 im Jahr 2016 – nur noch bei 1.396. Die Anerkennungsquote liegt bei zwei Prozent. Die Zahl der Abschiebungen nimmt seit geraumer Zeit ohnehin zu und erreichte nach 450 Algeriern im Jahr 2017 – 2015 waren es noch 57 gewesen – allein im ersten Halbjahr 2018 309 Personen.

[…] Im vergangenen Jahr stand Algerien im Rüstungsexportbericht der Bundesregierung mit Liefergenehmigungen im Wert von 1,35 Milliarden Euro auf Platz eins. Die Lieferungen werden zwar mit einer gewissen Verzögerung durchgeführt; doch ist der Rüstungsanteil bei deutschen Gesamtexporten von 3,1 Milliarden Euro im Jahr 2017 erheblich.

[…] Der deutschen Unterstützung für die algerische Grenzabschottung steht nicht im Weg, dass Algier seit langem wegen seiner Abschiebepraktiken massiv kritisiert wird. Im Mai etwa beklagte das UN-Menschenrechtsbüro (OHCHR), die algerischen Behörden hätten allein vom 8. März bis zum 19. April mindestens sechs Massenfestnahmen von Flüchtlingen durchgeführt. Diese seien – teils in migrantisch geprägten Stadtvierteln, teils auf Baustellen – willkürlich aufgegriffen und meist ohne jegliche Überprüfung ihrer Papiere umgehend auf Militärbasen in Abschiebehaft genommen oder sogar unmittelbar abgeschoben worden.

[…] An der Grenze zu Niger lässt die algerische Regierung Flüchtlinge regelmäßig aussetzen. Die Betroffenen werden, meist zu Hunderten, in Bussen an die Grenze transportiert und dort, zuweilen unter vorgehaltener Waffe, aufgefordert, das Land in Richtung Niger zu verlassen. Der Ort, an dem sie ausgesetzt werden, liegt mitten in der Wüste; die nächste Ortschaft ist 15 Kilometer entfernt. Der Weg dorthin ist für Nicht-Ortskundige nicht zu erkennen. Das führt dazu, dass die Flüchtlinge, denen zuvor ihre Mobiltelefone abgenommen wurden, sich aufs Geratewohl auf den Weg machen müssen – bei sengender Hitze von bis zu 50 Grad, zuweilen auch bei Sandstürmen. Nicht wenige kollabieren, andere verirren sich in der Wüste; immer wieder werden Leichen aufgefunden. Kürzlich machten Berichte die Runde, denen zufolge in den vergangenen 14 Monaten mindestens 13.000 Flüchtlinge von Algeriens Behörden in der Wüste ausgesetzt wurden.

German Foreign Policy | 17.09.2018

„In die Wüste abgeschoben“