Mit großer Geschwindigkeit rücken Assads und Russlands Militär in der nordwestsyrischen Provinz Idlib vor und zwingen dabei die Bevölkerung in die Flucht. Die Truppen des Assad-Regimes stehen bereits kurz vor Idlib-Stadt, viele der rund eine Million Bewohner*innen bereiten sich auf eine Flucht vor. Gleichzeitig verlegt die türkische Armee große Truppenverbände nach Idlib – allein am Wochenende hat Ankara über 1.000 militärische Fahrzeuge, darunter Leopard 2-Panzer aus deutscher Produktion, nach Idlib entsendet, um in der Provinz zu kämpfen.

Angesichts der militärischen Bedrohung und breiten Bombardierungen durch die Assad-Armee und seine russischen Verbündeten strömen Flüchtende in die relative Sicherheit der türkischen Grenzgebiete. Aber: Die Grenze zur Türkei ist in Folge des EU-Türkei-Abkommens von 2016 dicht, ein Entkommen, auch vor Verfolgung durch islamistische Milizen, ist damit quasi unmöglich. Viele Flüchtlinge harren in provisorischen Lagern vor der Grenze aus – im Regen, in der Kälte und ohne ausreichende medizinische Versorgung. […]

Aus der Presseerklärung Adopt A Revolution | 10.02.2020

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‚We have nothing left‘: displaced Syrians wait out war in Idlib

[…] Even in a war that has known few boundaries, the last month of brutality has been almost without precedent. Up to 1 million people are again on the move in Idlib. With the Turkish frontier behind them and an ascendant, vengeful foe over the horizon, they have nowhere left to run or hide.

Across the sodden, chaotic plains of the northwestern province, in the newly energised Russian war rooms, and among European diplomats that have failed to steer the war towards a diplomatic end, a realisation is growing that, one way or another, the most devastating conflict of modern times is grinding to a close. Its cost will be enormous, and will likely be paid over many continents and several generations. But first the people of Idlib need help and aid agencies say it has never been harder to deliver. […]

“Yes, there is fatigue about Syria and war in the region in general,” said a regional diplomat. “But this is one of the gravest crises of our lifetimes. They have created a kill box in Idlib and no-one cares about that.” […]

The Guardian | 21.02.2020

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La tragedia senza fine dei civili di Idlib

[…] Quello che sta succedendo a Idlib è prima di tutto una catastrofe umanitaria alle nostre porte. Ma inutile chiedere aiuto all’occidente democratico, scrive su Al Araby lo scrittore siriano Ali al Abdullah: “Se l’occidente democratico è stato così riluttante a stare a fianco dei siriani, è perché non fa niente in maniera disinteressata, vuole sempre trovare un guadagno in ciò che fa. Probabilmente non avrà trovato una ricompensa abbastanza grande per farsi coinvolgere nella causa siriana”.

Internazionale | 21.02.2020

Es ist uns nicht möglich, die Facetten der europäischen Migrationsabwehr zusammen zu denken: die Grenzanlagen in Ceuta und Melilla, die Militarisierung des Sahel, die Toten im Mittelmeer und die libyschen Lager, die hunderttausend Gefangenen in Ägypten, wo das Regime als Anker der Stabilität gefeiert und finanziert wird, die türkische Mauer, die Hot Spots, die Push Backs in Griechenland und auf dem Balkan und schließlich die Deportationen.

900.000 Menschen in Idlib auf der Flucht, solche Zahlen übersteigen die Vorstellungskraft. Eingepfercht zwischen der vorrückenden Armee und der türkischen Mauer. Putin tut das Seine, um im östlichen Mittelmeer Unruhe zu stiften und den Druck auf Europa zu erhöhen, indem er Flüchtlingslager und Hospitäler bombardieren lässt – in Libyen und in Syrien. Er treibt die Fliehenden ins Meer und gegen die türkische Mauer. Aber es ist die europäische Politik der Abwehr, die ihm dieses Spiel ermöglicht.

Die Kill Box in Idlib und die Europäische Lösung auf dem Mittelmeer sind gleichermaßen Ausdruck der Festungspolitik. Wir freuen uns, wenn Alarmphone und Sea Watch Ertrinkende retten. Deutschland zeigt ein freundliches Gesicht und nimmt einige der Geretteten auf, um sie hinterher geräuschlos wieder abzuschieben. Das gleicht einer Inszenierung, vor dem Hintergrund der Vorgänge im Sahel und der akuten Katastrophe in Idlib. Die Krise des Westens liegt im Dérangement der humanitären Erzählung, an welche die politische Klasse ohnehin nie geglaubt hat.

Kill Box Idlib