In deutschen Medien wurde fast nichts über den großen Doppelanschlag auf die französisch geführte internationale Militäroperation „G-5 Sahel“ am 30.09. und 01.10.2019 in Mali berichtet. „G-5 Sahel“ und die Nationalstaaten der Region sind ohnehin schon sehr geschwächt. Bei dem Doppelangriff könnte es sich um eine Antwort auf militärpolitische Entscheidungen handeln, die in den Tagen zuvor am Rande der UN-Vollversammlung in New York getroffen wurden. Insbesondere gegen Nord-Mali wurden dort neue internationale Militarisierungspläne aufgelegt. In untenstehendem NZZ-Bericht wird auf die sozialen Gründe des militanten Dschihadismus im Sahel eingegangen.

[…] Der Angriff auf zwei Kasernen in Mali zeigt die Ohnmacht der Armee und auch des Militärbündnisses G-5 Sahel gegenüber dem jihadistischen Terrorismus. Die Ursachen des Desasters lassen sich nicht mit Waffen und Geld allein beheben.

David Signer, Dakar

In Mali haben Jihadisten Anfang der Woche zwei Militärlager angegriffen und mindestens 25 Soldaten getötet. Bei der Attacke im Zentrum des westafrikanischen Landes kamen 15 der Angreifer ums Leben, etwa 60 Armeeangehörige werden noch vermisst. Eines der angegriffenen Bataillone gehörte zur G-5 Sahel, dem von Frankreich geförderten Anti-Terror-Militärbündnis zwischen Mali, Mauretanien, Burkina Faso, Tschad und Niger.

Die Attacke in den beiden Orten Mondoro und Boulkessy, unweit der Grenze zu Burkina Faso, ist eine der schwersten seit Monaten und die gravierendste gegen die G-5 Sahel seit deren Gründung im Jahr 2014. Sie zeigt, dass sich die Situation in Mali nicht stabilisiert, sondern verschlechtert. […] inzwischen sind wieder weite Teile im Norden des Landes der staatlichen Kontrolle entglitten.

[…] Erst nach Luftangriffen gelang es der malischen Armee, das Lager Boulkessy zurückzuerobern. Die Angreifer haben auch viele Waffen und Fahrzeuge erbeutet. Ob die vermissten Soldaten getötet oder gefangen genommen wurden, ist noch unklar.

Dass den Jihadisten die Einnahme von zwei Kasernen in einer strategisch so wichtigen Zone gelang, ist alarmierend. Seit längerer Zeit nehmen die Anschläge in Mali, Burkina Faso und Niger zu. Ebenso erstarkt die Terrormiliz Boko Haram erneut im Grenzgebiet von Nigeria, Tschad und Kamerun. Vor einer Woche sagte Uno-Generalsekretär António Guterres, die internationale Gemeinschaft verliere angesichts des Terrors im Sahel Terrain. Laut Guterres haben sich die zivilen Todesopfer zwischen 2012 und 2018 in den Ländern der G-5 Sahel vervierfacht.

Die G-5 Sahel weist bis jetzt nur magere Resultate vor. Offenbar gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Armeen schwierig, es fehlt an Geld und Material. […]

Eine Strategie, die anfangs als Heilmittel erschien, sind Bürgerwehren und Selbstverteidigungsmilizen. Zunehmend stellen sie sich jedoch als ein Gift heraus, das sich, einmal freigesetzt, kaum mehr kontrollieren und eindämmen lässt. In Mali handelt es sich beispielsweise um Vertreter der Volksgruppen der Dogon und der Bambara, die unter den nomadisierenden Viehzüchtern der Peulh regelmässig Massaker veranstalten. Sie stellen die muslimischen Peulh unter den Generalverdacht, mit den Jihadisten zu sympathisieren. […]

Ein Faktor, der an Gipfelkonferenzen natürlich nicht thematisiert wird, ist der tiefe Hass vor allem der armen Bevölkerungsschicht gegen den Staat. Vielen Einwohnern treten dessen Repräsentanten lediglich mit Schikanen und Drangsalierung entgegen. Jede Alternative zum Status quo erscheint dann besser.

Kürzlich publizierte der Deutschlandfunk ein aufschlussreiches Interview mit einem Mitglied von Katiba Macina. Auf die Frage, was ihn radikalisiert habe, gibt er eine vorerst erstaunliche Antwort. Er erzählt, dass er in Zentralmali mit Zucker, Tee und anderen Dingen gehandelt habe, die er auf den Wochenmärkten verkaufte. «Die Zollbeamten, die Polizisten – alle haben mir ständig Geld abgezweigt», sagt er. «Hast du Glück, fragen sie dich an einem Tag nur einmal. Meist kommen sie ständig. Vor allem wenn sie sehen, dass du Tee und Zucker dabei hast. Sie behaupten, dass das Schmuggelware ist, dass du keinen Zoll bezahlt hast, dass du das schwarz aus Mauretanien eingeführt hast und jetzt Zoll nachzahlen musst. Für alles, auch für Kekse und Speiseöl, verlangen sie Geld. So viel, dass dir am Ende nichts bleibt.»

Das klingt im ersten Moment banal, gibt aber die tägliche Mühsal vieler Malier wieder, egal in welchem Bereich sie arbeiten. Der Staat, das sind willkürliche Beamte, korrupte Polizisten und arrogante Dorfchefs, die einen unterdrücken und auspressen. Und im Falle des Interviewten bald auch brutale Soldaten, die bei ihrer Jagd auf Jihadisten wahllos Peulh verhaften, foltern und töten. Der grausame Generalverdacht trieb ihn, wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, endgültig in die Arme der Islamisten.

Nun hat Katiba Macina die Kontrolle in seinem Dorf übernommen. Was ihn von der Gruppe überzeugt hat: «Im Dorf erlebte ich, was sie mit denen machen, die etwas Falsches tun. Sie schlagen im Koran nach, welche Strafe ihnen für das Vergehen zusteht. Sie bringen nie jemanden einfach so um. Wenn ein Fall sie überfordert, kontaktieren sie einen Höherstehenden.» Was hingegen die Regierung mache, habe mit Gerechtigkeit nichts zu tun. Mit anderen Worten: Auch wenn Islamisten harte Strafen verhängen, vermittelt ihm das immerhin Sicherheit und Verlässlichkeit. Bei den staatlichen Institutionen hingegen erlebt er nur unberechenbare Willkür.

Diese tiefe Frustration und Wut vieler Bewohner der Sahelzone dürfte ein wesentlicher und unterschätzter Faktor bei der Islamisierung der Region sein. Ein Faktor, dem man weder mit Waffengewalt noch mit Geld beikommt.

NZZ | 04.10.2019

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[…] Attaque d’opportunité ou réponse aux propos tenus à l’ONU que les terroristes entendent à la radio dans leurs campements de brousse, les djihadistes lancent pendant deux jours, le 30 septembre et le 1er octobre, deux opérations simultanées et d’envergure dans le centre du Mali. Véhicules 4×4 et motos déboulent sur le camp de Boulkessy, situé près de la frontière du Burkina Faso, qui abrite le bataillon malien de la force du G5 Sahel. Dans un même temps, à une centaine de kilomètres, une autre attaque se produit contre le poste de Mondoro. La bataille fait rage dans les deux localités. Les victimes sont nombreuses. Vingt-cinq soldats sont tués, quatre sont blessés et une soixantaine sont portés disparus. Un chiffre qui risque d’augmenter les pertes. Au minimum, deux civils sont morts. Côté djihadistes, une quinzaine ont été abattus. Le bilan est très lourd chez les forces gouvernementales, qui n’ont pas connu une telle hécatombe depuis l’attaque le 17 mars contre le camp de l’armée de Dioura, également dans le centre du pays, qui avait fait près de 30 morts. Quant au G5, c’est le premier coup dur depuis que les soldats placés sous son commandement se déploient à nouveau sur le terrain. Des attaques surprises préparées avec des assaillants en nombre et bien équipés, qui ont pu se rassembler en passant « sous les radars » des drones français et américains.

Du coup, Boulkessy et Mondoro tombent dans un premier temps, avant d’être repris au bout de 48 heures grâce aux bombardements des Mirage 2000 et des hélicoptères de combat français du dispositif Barkhane qui décollent de Niamey. Une demi-douzaine de véhicules terroristes sont détruits et des commandos des Forces spéciales sont déposés en renfort pour mener la contre-attaque avec les soldats maliens encore valides sous le feu des terroristes qui se cachent autour dans les replis de terrain. Ils finissent par décrocher, mais ont réussi à emporter du bétail, des vivres, du matériel militaire et des véhicules qui n’ont peut-être pas tous été pulvérisés par les roquettes françaises. Depuis, une vaste opération de ratissage est en cours avec les troupes burkinabées, appuyées par des drones et des aéronefs français qui essaient de prendre en tenaillesles islamistes d’Ansarou islam, le groupe du prêcheur salafiste Ibrahim Malam Dicko, qui recrute dans les populations peules. Affilié au Groupe pour le soutien de l’islam et des musulmans (GSIM) de l’émir touareg Iyad Ag Ghali qui a prêté allégeance à Al-Qaïda, Ansarou Islam mène la guerre au Burkina, dans le centre du Mali et au Niger en menant des incursions meurtrières.

Le Point | 02.10.2019

 

Mali: G-5 Sahel durch schweren Anschlag geschwächt