Ungeachtet der blutigen Niederschlagung der Massenproteste im Sudan setzt die Bundesregierung ihre Unterstützung für die dortige Regierung fort. Die Proteste, die bereits am 19. Dezember begonnen hatten, hatten sich zunächst gegen eine dramatische Erhöhung der Lebensmittel- und Treibstoffpreise gerichtet. Inzwischen fordern die Demonstranten längst auch den Rücktritt der Regierung, die für ihre brutale Repression berüchtigt ist. Hatten die westlichen Mächte, auch Deutschland, die Regierung von Omar al Bashir beinahe zwei Jahrzehnte lang erbittert bekämpft, weil Al Bashir außenpolitischen Forderungen nicht entsprach, so haben sie vor einigen Jahren einen radikalen Kurswechsel eingeleitet und begonnen, eng mit Khartum zusammenzuarbeiten: Washington nutzt die Kenntnisse des sudanesischen Geheimdiensts NISS für seinen Krieg gegen Jihadisten in der Sahara und im Sahel; Berlin arbeitet mit Khartum bei der Flüchtlingsabwehr zusammen. Sudanesische Oppositionelle berichten, die Bundesrepublik sei „der größte Unterstützer Sudans“ in der EU.

Gegen die Repression

Die Massenproteste im Sudan hatten am 19. Dezember begonnen und binnen kürzester Zeit nicht nur die Hauptstadt Khartum, sondern praktisch alle bedeutenderen Städte des Landes erreicht. Auslöser war zunächst eine Verdreifachung des Brotpreises, die zahlreiche Demonstranten auf die Straße trieb. Rasch richteten sich die Proteste nicht nur gegen weitere Preiserhöhungen, sondern auch gegen die Regierung von Präsident Omar al Bashir, die für ihre Repression berüchtigt ist. Schon nach wenigen Tagen berichteten Menschenrechtsorganisationen, die Repressionsapparate hätten bei ihren Bestrebungen, die Proteste mit aller Gewalt niederzuschlagen, bereits mindestens 37 Menschen getötet. Seitdem halten sowohl die Massendemonstrationen als auch die Repression unvermindert an.

Der erste Kurswechsel

Der Bundesregierung kommen die anhaltenden Massenproteste im Sudan gänzlich ungelegen. Dabei war auch Berlin lange Zeit energisch gegen die Regierung von Omar al Bashir vorgegangen. Hatten die westlichen Mächte die sudanesische Regierung im Kalten Krieg noch mit allen Mitteln unterstützt – von Aufrüstungshilfen bis zur Geheimdienstkooperation -, da sie sich von ihr Dienste in der damaligen Systemkonfrontation erhofften [1]S. dazu Englisch statt Arabisch, so hatten sie in den 1990er Jahren einen radikalen Kurswechsel vollzogen: Widersetzlichkeiten in Khartum und die neue Fokussierung des Westens auf Versuche, die arabische Welt klar prowestlich zu trimmen, führten dazu, dass die bis kurz zuvor noch unterstützte sudanesische Regierung zum Gegner erklärt und erbittert bekämpft wurde. In diesem Zusammenhang haben die westlichen Mächte, allen voran die USA und die Bundesrepublik, die Abspaltung des Südsudan durchgesetzt; dies hat machtpolitisch insofern zum „Erfolg“ geführt, als es den Sudan des größten Teils seiner Erdölvorräte beraubt hat. Allerdings versank jedoch zugleich der Südsudan – absehbar – in einem mörderischen Bürgerkrieg (german-foreign-policy.com berichtete [2]S. dazu Das Wirken der Geostrategen und Aus den Einsatzgebieten der Bundeswehr (II)). In der Hochphase des politischen Machtkampfs gegen Khartum beherrschten die innersudanesischen Kriege, insbesondere derjenige in Darfur, im Westen, auch in der Bundesrepublik, die Schlagzeilen, während der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag im Juli 2008 Anklage gegen Al Bashir erhob.

Der zweite Kurswechsel

Inzwischen ist allerdings erneut ein radikaler Kurswechsel nicht nur der deutschen, sondern auch der US-amerikanischen Sudan-Politik eingetreten. Hintergrund war zum einen die offenkundige Bereitschaft der Regierung von Al Bashir, sich westlichen Forderungen unterzuordnen. Zum anderen hat sich sowohl in Berlin als auch in Washington ein jeweils spezielles Interesse an einer Kooperation mit Khartum herauskristallisiert. Auf US-Seite ging es darum, im Kampf gegen Jihadisten in der Sahara und im Sahel Fortschritte zu erzielen. Im September 2016 schloss die CIA einen Kooperationsvertrag mit Sudans Geheimdienst NISS (National Intelligence and Security Service); seitdem „informieren die sudanesischen Geheimdienste die USA über die Tätigkeit jihadistischer Gruppierungen von Somalia bis Nigeria“, berichtete bereits Mitte 2017 die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).[3]Annette Weber: Sudan: Vom Schurkenstaat zum Partner. swp-berlin.org 10.07.2017 Im Gegenzug hob US-Präsident Barack Obama noch in den letzten Tagen seiner Amtszeit die Sanktionen gegen den Sudan auf; die kooperationswillige Regierung von Al Bashir sollte nun stabilisiert werden.

Der Khartum-Prozess

Berlin und die EU hingegen waren vor allem aus einem anderen Grund um Kooperation mit ihrem bisherigen Feind Al Bashir bemüht: Sudan liegt unmittelbar auf der Fluchtroute vom Horn von Afrika, etwa aus Somalia, vor allem aber aus Eritrea nach Europa. Im Bemühen um eine möglichst effiziente Flüchtlingsabwehr taten sich im November 2014 die EU-Staaten, Norwegen und die Schweiz sowie elf Staaten Afrikas von Tunesien bis Kenia zusammen, um Schritte zur Beendigung der Flucht in die EU zu ergreifen. Sudan war beteiligt; das Maßnahmenpaket, das damals eingeleitet wurde, erhielt den Namen „Khartum-Prozess“. Dabei nahmen Bemühungen, die Fluchtroute über sudanesisches Territorium zu kontrollieren, einen zentralen Stellenwert ein. Zwar wurde immer wieder das besonders brutale Vorgehen der sudanesischen Repressionsapparate angeprangert, denen eine wichtige Rolle bei der Flüchtlingsabwehr zukam. Auch waren zumindest in einigen Fällen Milizen am Kampf gegen die Flucht beteiligt, die wenige Jahre zuvor noch im Westen wegen ihrer mörderischen Praktiken in der Aufstandsbekämpfung in Darfur scharf attackiert wurden. All dies hielt Berlin und die EU jedoch nicht ab, Khartum hohe Summen für die Flüchtlingsabwehr zur Verfügung zu stellen. Bereits Anfang 2018 hatte Sudans Regierung gut 200 Millionen Euro erhalten; an der Umsetzung beteiligt war beispielsweise die bundeseigene deutsche Entwicklungsagentur GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit), die 2014 – zeitgleich mit dem Beginn des „Khartum-Prozesses“ – ihre lange unterbrochene Arbeit im Sudan wieder aufgenommen hatte. Über Umwege kam die Unterstützung für Khartum auch den Repressionsapparaten und zum Teil sogar dem NISS zugute (german-foreign-policy.com berichtete [4]S. dazu Nützliche Milizen).

„Der größte Unterstützer“

Die Kooperation Berlins und der EU mit Khartum dauert an. Dabei ist Deutschland, wie die oppositionelle Aktivistin Shadia Abd Almona erklärt, „der größte Unterstützer Sudans in den EU-Ländern, sowohl was die technische Zusammenarbeit angeht als auch finanziell“.[5]Sudan steht an einem Wendepunkt. Neues Deutschland 28.12.2018 Die deutsche Unterstützung zielt zum einen weiterhin auf die Flüchtlingsabwehr. Sudan und die EU haben im vergangenen Juli eine gemeinsame Initiative gegen „Menschenhandel und illegale Migration“ gestartet, die sich über drei Jahre erstrecken soll. Im August vereinbarten Berlin und Khartum begleitende Maßnahmen, für die Brüssel zwei Millionen Euro, Deutschland 26 Millionen Euro bereitstellen wird.[6]Germany, Sudan sign for refugee projects worth €28 mln. reliefweb.int 10.08.2018 Zum anderen ist die Bundesregierung bemüht, eine führende Rolle in den Gesprächen zur Beilegung des Krieges in Darfur einzunehmen. Von Seiten Khartums wird dabei anerkennend darauf verwiesen, Berlin mache sich für den Abzug von UNAMID (United Nations – African Union Mission in Darfur) aus dem Kriegsgebiet stark.[7]Sudanese-German committee meets in Berlin. sudantribune.com 23.10.2018 Sudanesische Medien berichteten außerdem im November nach einem Treffen des sudanesischen Außenministers El-Dirdeiry Mohamed Ahmed mit seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas, dieser habe „dem Wunsch seines Landes Ausdruck verliehen“, nicht nur die bilateralen Beziehungen zum Sudan zu stärken, sondern Khartum auch „in verschiedenen internationalen Foren“ zu unterstützen, ganz besonders in der EU.[8]Sudan, Germany discuss the situation in Libya and CAR. sudantribune.com 23.11.2018 Kritik an der Repression der Regierung ist da – anders als in den früheren Jahren des Kampfs gegen Khartum – nicht angesagt.

German-Foreign-Policy | 24.01.2019

„Proteste im Sudan“

Fußnoten

Fußnoten
1S. dazu Englisch statt Arabisch
2S. dazu Das Wirken der Geostrategen und Aus den Einsatzgebieten der Bundeswehr (II)
3Annette Weber: Sudan: Vom Schurkenstaat zum Partner. swp-berlin.org 10.07.2017
4S. dazu Nützliche Milizen
5Sudan steht an einem Wendepunkt. Neues Deutschland 28.12.2018
6Germany, Sudan sign for refugee projects worth €28 mln. reliefweb.int 10.08.2018
7Sudanese-German committee meets in Berlin. sudantribune.com 23.10.2018
8Sudan, Germany discuss the situation in Libya and CAR. sudantribune.com 23.11.2018