Maria Josua

GIGA Focus | Nahost | Nummer 04 | Juli 2019 | ISSN 1862-3611

Weltweit ist die Anzahl von Anti-Terror-Gesetzen seit einigen Jahren stark gestiegen. Insbesondere arabische Staaten nutzen die von global ­agierenden Terrorgruppen ausgehende Gefahr als Vorwand, um Andersdenkende als Terroristen zu verunglimpfen, um sie mit Billigung externer Akteure zu unterdrücken und die Arbeit der friedlichen Opposition einzuschränken.

  • Nach den Anschlägen des 11. September 2001 kam es zu einer rasanten Verbreitung von Anti-Terror-Gesetzen weltweit. Ein Überblick über die ­arabischen Staaten zeigt allerdings, dass in dieser Weltregion eher lokale Anschläge der Ausgangspunkt von verschärften Anti-Terror-Gesetzen waren.
  • Nach einer ersten Phase setzte mit dem Arabischen Frühling nach 2011 eine zweite Welle der Anti-Terror-Gesetzgebung ein. Besonders Regierungen, die durch massive Proteste unter Druck geraten waren, griffen zu diesem Mittel. Sie stellten Oppositionsgruppen unter Terrorverdacht, um ihre ­Unterdrückung zu rechtfertigen.
  • Die meisten dieser neuen Gesetze sind durch eine umfassende und zugleich sehr vage Definition von Terrorismus gekennzeichnet, die auch gewaltlose Formen des Protestes umfasst. Drakonische Strafen für als terroristisch ­bezeichnete Aktivitäten schaffen in der gesamten arabischen Welt ein Klima der Furcht und schränken die Meinungsfreiheit ein.
  • Bei der Terrorbekämpfung innerhalb der arabischen Welt lässt sich eine regionale Zusammenarbeit erkennen. Regierungen verfolgen ihre eigenen Bürger strafrechtlich aufgrund von deren Kritik an der Politik anderer Staaten.

Fazit

Europäische Demokratien sollten ihre Politik der Terrorbekämpfung durch Zusammenarbeit mit arabischen Autokratien kritisch hinterfragen und diese auf diejenigen Partner beschränken, die Anti-Terror-Gesetze nicht gegen friedliche Oppositionelle anwenden. Da exzessive Regelungen inzwischen flächendeckend praktiziert werden, sollte sich die Bundesrepublik Deutschland nicht im Namen des Kampfes gegen den Terror zum Handlanger von Autokraten machen lassen.

GIGA Focus Nahost | Juli 2019

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Volltext

Mitte April 2019 wurden in Saudi-Arabien an einem Tag 37 Menschen hingerichtet. Alle waren zuvor des „Terrorismus“ für schuldig befunden worden. Einer wurde nach seiner öffentlichen Enthauptung am Osterdienstag gekreuzigt und öffentlich zur Schau gestellt. Die meisten der hingerichteten Staatsbürger gehörten der schiitischen Minderheit an und alle hatten unter Folter erzwungene falsche Geständnisse abgelegt. Bei vierzehn der Verurteilten bestand das als „Terror“ bezeichnete Vergehen in der Teilnahme an Protesten gegen das saudische Regime (CNN, 26. April 2019).

Diese jüngste Massenhinrichtung ist ein Extrembeispiel für exzessive „Terrorbekämpfung“ und verdeutlicht die staatliche Strategie, oppositionelle soziale und politische Akteure als Terroristen darzustellen und somit deren Unterdrückung als notwendiges Mittel zu begründen. Der Terrorvorwurf ist eine der wenigen Rechtfertigungen für staatliche Gewalt und Unterdrückung, die weltweit akzeptiert ist (Edel und Josua 2018). Autoritäre Regierungen haben daher ein Interesse daran, Anti-Terror-Gesetze mit möglichst breiten und vage formulierten Definitionen einzuführen, um ihre Opposition verunglimpfen und bekämpfen zu können. ­Diese innenpolitische Motivation wird durch den Druck des Westens unterstützt, entsprechende Anti-Terror-Regelungen zu etablieren. Haben Demokratien nach dem 11. September 2001 Freiheitsrechte ihrer Bürger eingeschränkt, so nutzen Autokratien den Terrorismusvorwurf gegen Oppositionelle nicht zuletzt, um im internationalen Kontext kritische Nachfragen von Seiten demokratischer Partner zum Umgang mit der Opposition abzuwehren. […]

Vollständige Studie: GIGA Focus | Nahost | Nummer 04 | Juli 2019

„Repression durch Anti-Terror-Gesetze in der arabischen Welt“ – GIGA