Aus Anlass der Bombardierung eines Internierungslagers an der Peripherie von Tripolis, bei dem mindestens 40 eingeschlossene Migranten ums Leben gekommen und weitere 80 verletzt worden sind, wollen wir daran erinnern, dass die EU seit 2003 den Betrieb eben solcher Lager in Libyen fördert. Vom 28.11. bis zum 06.12.2004 befand sich eine Delegation der EU-Kommission in Libyen, um u.a. die dortigen Internierungslager für ca. 10.000 Geflüchtete und Migrant*innen zu inspizieren und weitere Materiallieferungen sowie Schulungen zur Migrationsbekämpfung zu verabreden. Experten von 14 EU-Staaten und von Europol nahmen teil. In ihrem Bericht „Technical Mission to Libya on Illegal Immigration“ vom 04.04.2005 (Dok. 7753/05, 114 Seiten) werden die inhumanen Lager aus direkter Delegationserfahrung geschildert. Eine Verbesserung der Lagersituation oder gar Schließung der Lager wurde nicht empfohlen. 1.000 Leichensäcke hatte die EU, wie der Bericht aufführt, bereits geliefert.

Im Folgenden Fotos, die EU-Delegationsteilnehmerliste und Auszüge aus dem Bericht.

Libyan and European representatives join for a photo opportunity in the course of the mission

Varying from one centre to the other, the experts had the opportunity to interview the detainees who, when not in presence of the Police guards, complained about the arbitrary character of their detention. The detainees did not understand the reasons for their detention since many had already spent years in Libya, mostly working and establishing themselves on a temporary basis in the fringes of any process allowing legal residence.

Discussions with immigrants in a camp

Some of the detainees had refugee documents obtained in other countries such as Ghana. Other confirmed that, although escaping from civil war (Sudan, Ethiopia), they were unable to obtain refugee documents. A majority of the interviewed detainees confirmed that their intention was to remain in Libya for some years working there and later return to their countries once they had saved some money.

None of the detainees knew what the maximum duration of detention in the centres was nor had any information on the legal procedures and conditions for repatriation. The same kind of information was requested by our Libyan hosts who were unable to provide a clear answer.

The mission to the Northern coast encountered some difficulties (logistics, police pressure, too much media attention), which at a later stage were recognised by the Libyan authorities.

 

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Libya migrants: Attack kills dozens at detention centre

An attack has killed up to 40 migrants at a detention centre on the outskirts of the Libyan capital Tripoli, government officials say.

Some 80 people were injured at the centre, which the UN-backed government says was hit by an air strike.

Anti-government forces led by warlord Gen Khalifa Haftar have accused government forces of bombarding it. […]

What do we know about the attack?

Some 120 migrants were inside a hangar at the Tajoura Detention Centre which took a direct hit on Tuesday evening, emergency services spokesman Osama Ali told AFP news agency.

Tajoura is believed to house some 600 migrants.

Women and children were among those hit, Guma El-Gamaty, a member of the UN-backed political dialogue group, told BBC World Service.

An official in the Libyan health ministry, Doctor Khalid Bin Attia, described the carnage for the BBC after attending the scene:

„People were everywhere, the camp was destroyed, people are crying here, there is psychological trauma, the lights cut off.

„We couldn’t see the area very clear but just when the ambulance came, it was horrible, blood is everywhere, somebody’s guts in pieces.“

Who is to blame?

The UN-backed Government of National Accord (GNA), led by Prime Minister Fayez al-Sarraj, accused the self-styled Libyan National Army (LNA) of carrying out an air strike on the centre.

The „heinous crime“ was „premeditated“ and „precise“, it said.

The LNA – led by Gen Haftar – was fighting government forces in the area where the strike happened.

It had announced on Monday that it would start heavy air strikes on targets in Tripoli after „traditional means“ of war had been exhausted. […]

BBC | 03.07.2019

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Libyen: Tote bei Angriff auf Migranten-Haftzentrum

Migranten dorthin zurückzubringen, setzt sie lebensbedrohlichen Risiken aus. Wer stoppt die Kriegsparteien? Russland?

Mehr als 40 Insassen eines Flüchtlingslagers in einem Vorort der libyschen Hauptstadt Tripolis wurden bei einem Militär-Angriff getötet, mindestens weitere 80 Menschen wurden verletzt. Wer für den Angriff verantwortlich ist und warum er das Haftzentrum für Einwanderer (Immigration detention centre) in Tajoura traf, ist wurde noch nicht geklärt.

Bestätigt wird mit diesem Angriff, was sich aus unterschiedlichen Gründen schon seit längerem aufdrängt: Wenn die libysche Küstenwache Migranten, die sie vor der Küste gerettet oder aufgegriffen hat, ins Land zurückbringt, setzt sie sie lebensbedrohlichen Risiken aus. Libyen hat keine sicheren Häfen.

Die ins Land zurückgebrachten Migranten kommen meist, wenn sie „Glück“ haben, in Haftzentren, die dem libyschen Ministerium für die Bekämpfung der illegalen Migration (DCIM) unterstehen. Derzeit sollen dort 6.000 Menschen untergebracht sein. Wie die relativ kleine Zahl gegenüber den Zehntausenden, die häufig als Schätzung der Zahl der Migranten in Libyen zu lesen sind, schon andeutet, gibt es darüber hinaus auch Lager, die ohne ein Minimum an offizieller Aufsicht von privaten Milizen geführt werden, welche die Situation der Migranten gnadenlos ausbeuten.

„Fehler der Interantionalen Gemeinschaft“

Geht es nach der irischen Journalistin Sally Hayden, von der die genannte Zahl stammt, so steht auch in den von der DCIM-geführten Lagern vieles im Argen. Sie schildert unerträgliche, krankmachende Zustände. Hayden steht über Mobiltelefon in direkten Kontakt zu Migranten, die in libyschen Haftzentren untergebracht werden, so auch in Tajoura, wo kürzlich auf Migranten geschossen wurde, weil sie dem Lager entkommen wollten, wie ihr ihre Quellen berichteten (Eintrag vom 26.Juni hier.

Ihre Informationen aus dem Tajoura-Lager zum Angriff sprechen von einer schlimmeren Opfer-Bilanz als der bisher veröffentlichten, von mindestens zwei Angriffen statt nur einem, dass es zum Beten fürchterlich und zum Verzweifeln sei und dass auch die EU wie das UNHCR Verantwortung an diesem Massaker tragen.

Das sei gar nicht so sehr der Fehler der Libyer, sondern mehr der Internationalen Gemeinschaft, die es versäume, sie zu schützen. Vorwürfe in Richtung EU oder UNHCR kommen nicht nur von Migranten und nicht nur von Haftar-Kritikern, sondern auch von anderer Seite, die der UN-Flüchtlingsorganisation vorwerfen, dass sie keine Maßnahmen zur Evakuierung des Lagers angestoßen habe. Schließlich sei man „gewarnt“ gewesen, da es schon Anfang Mai einen Angriff gab, der in unmittelbarer Nähe des Haftzentrums für Migranten in Tajoura erfolgte.

Haftzentren als „Lagerstätten für Waffen und Militärgerät“ genutzt

Am Ende des seinerzeitigen UNHCR-Berichts steht die bemerkenswerte Äußerung, wonach sich die UN-Flüchtlingshilfe Sorgen mache, weil die Haftzentren als „Lagerstätten für Waffen und Militärgerät“ genutzt würden.

Das spräche dafür, dass der oder die Angriffe, die das Haftzentrum trafen, von der LNA-Miliz unter dem Kommando von Khalifa Haftar durchgeführt wurde, wie es die Nationale Konsensregierung (GNA) vorwirft. Auch Verantwortliche des Lagers, die, wie oben erwähnt, mit der Regierung verbunden sind, „vermuten die Truppen des abtrünnigen Generals Chalifa Haftar hinter der Attacke“ (Spiegel).

Der Innenminister der von der UN anerkannten GNA-Regierung unterlegte den Vorwurf mit der Äußerung des LNA-„Luftwaffen“-Kommandeurs Muhammad al-Manfour, der vor zwei Tagen die Operation „Ende des Verrats“ ankündigte: Da man die traditionellen Mittel erschöpft habe, um die Kontrolle in Tripolis zu gewinnen, werde man nun „starke und entschlossene Luftangriffe“ gegen ausgewählte Ziele durchführen. […]

Telepolis | 03.07.2019

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La guerra a Tripoli entra in una nuova fase. Serraj incontra al-Juwaili

Il generale Mohammed al-Manfour, a capo dell’aviazione delle forze armate libiche sotto l’egida del feldmaresciallo Khalifa Haftar, ha annunciato una nuova fase della guerra a Tripoli. “L’esercito ha esaurito tutte le forme di risposta tradizionali” ha affermato al-Manfour, sottolineando che l’esercito libico darà il via nelle prossime ore ad una serie di attacchi senza precedenti dalle varie postazioni intorno a Tripoli e via aerea. Il Libyan National Army (LNA) sembrerebbe pronto ad una nuova offensiva, soprattutto dopo il recente massacro di oltre trenta militari in cura nell’ospedale nella città di Gharian. Il generale ha confermato inoltre che l’LNA entrerà a Tripoli e le operazioni andranno avanti fino a quando la capitale non sarà liberata dai gruppi armati che oggi la controllano. […]

SpecialeLibia | 02.07.2019

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Die Vereinten Nationen haben den Luftangriff auf ein Flüchtlingslager nahe der libyschen Hauptstadt Tripolis als Kriegsverbrechen eingestuft.
Der UNO-Sondergesandte für Libyen, Salamé, erklärte, der Angriff könne eindeutig als Kriegsverbrechen gewertet werden. Es handele sich um einen krassen Verstoß gegen die internationalen Menschenrechte. Er forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Tat zu verurteilen und die Verantwortlichen zu bestrafen. Bei dem Angriff waren in der vergangenen Nacht mindestens 44 Menschen getötet und mehr als 130 schwer verletzt worden.

DLF | 03.07.2019

Tripolis: mindestens 40 Tote und 80 Verletzte bei Luftangriff auf Internierungslager für Migranten