Der Konflikt zwischen der UNO und der italienischen Regierung bzw. der EU spitzt sich zu. Am 15. Mai 2019 hat das UN-Hochkommissariat für Menscherechte, das direkt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen untersteht, der italienischen Regierung eine beispiellose Aufforderung zur Korrektur seiner Mittelmeerpolitik geschrieben (OHCHR: Joint Communication from Special Procedure, AL ITA 4/2019, 12 Seiten). Kopien gingen an die libysche [„Einheits“]-Regierung und an die EU. Die italienische Regierung ist im Rahmen dieser UN-Mandatskritik zur schriftlichen Antwort verpflichtet. Heute werden Details des Antwortschreibens des italienischen Außenministeriums bekannt. Teile der kritisierten Dekrete des italienischen Innenministers Matteo Salvini, die auf eine Forcierung des Massensterbens im Mittelmeer und eine verstärkte Push-Back-Praxis in die libyschen KZs zielen, wurden unwesentlich abgeändert, zum Teil sogar verschärft. Der UN-Kritik wird im italienischen Antwortschreiben eine „unpassende Herangehensweise“ und eine „erstaunliche Engstirnigkeit“ bescheinigt. Italien werde mit verschärften Mitteln des Strafrechts versuchen, die NGO-Seenotretter als letztes „Glied in der Kette“ des kriminellen Schlepper-Aktionsmodells auszuschalten. Salvini ruft die gesamte italienische Exekutive auf, sich gegen die UN-Kritik um das Innenministerium zu scharen.

Eines der UN-kritisierten Dekrete hat der italienische Ministerrat (Consiglio dei ministri) leicht verändert soeben verabschiedet. Es wird jetzt dem Parlament vorgelegt. Die „Welt“ schreibt heute:

Italiens rechtspopulistische Regierung verschärft ihre Gangart gegen Hilfsorganisationen, die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer retten. Kapitänen, Eignern und Betreibern von Schiffen, die „ohne Genehmigung in italienische Hoheitsgewässer eindringen“, drohen künftig bis zu 50.000 Euro Geldstrafe, wie Innenminister Matteo Salvini am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in Rom sagte.

Die Welt | 12.06.2019

Wesentlicher Punkt des alt-neuen Dekrets ist, dass Schiffbrüchige nur von den „zuständigen Seenotrettungsleitstellen“ aus dem Meer geholt werden dürfen. Das bedeutet eine strafbewehrte Stärkung der sogenannten libyschen Küstenwache und ihrer gängigen Push-Backs der abgefangenen Boat-people zurück in die libyschen KZs.

In den laufenden Streit zwischen UNO und Italien/EU zum Massensterben im Mittelmeer und zu den Push-Backs in die libyschen KZs schaltete sich gestern der Frontex-Direktor Frabrice Leggeri mit einem Interview in der „Welt“ ein:

Unser [Frontex-] Beitrag zum Schutz der Menschen enthält auch, dass Flugzeuge von uns in der Region unterwegs sind: Wenn sie ein Boot in Seenot bemerken, leiten sie die Information an die Rettungsstellen aller umliegenden Länder weiter, etwa nach Italien und Malta – aber auch an nordafrikanische Länder, sodass die Menschen so schnell wie möglich gerettet werden können.

Die NGO-Seenotretter*innen hatten in den vergangenen Monaten mehrmals beobachten und dokumentieren können, das Push-Backs nach Libyen von Flugzeugen aus EU-Staaten koordiniert wurden. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte bezeichnet die Push-Backs durch die EU-geleitete sogenannte libysche Küstenwache als „Refoulement“ auch von Asyl-Flüchtlingen durch Italien bzw. die EU und fordert die sofortige Einstellung dieser völkerrechtswidrigen Praxis.

Die UN-Kritik würde glaubhafter und wirkungsvoller werden, wenn die UNO ihre Aktivitäten vor Ort ändern würde. In den libyschen Häfen, in die die Push-Backs laufen, stehen Mitarbeiter*innen des UNHCR und der IOM. Sie zählen die Rückdeportierten. Bei ihren zeitgleichen Monitoring-Missionen in den libyschen KZs dokumentieren sie eine lagerbedingte „Left-to-die“-Politik. Die libysche „Einheits“-Regierung wurde von der UNO installiert und wird von ihr politisch am Leben gehalten – und dieser Regierung unterstehen die meisten westlibyschen KZs.

Auch der Vatikan und die evangelischen Kirchen haben sich zu voranstehenden Kritikern der italienischen bzw. der EU-Politik des Massensterbens im Mittelmeer entwickelt. Wäre es nicht an der Zeit, dass sie den direkten Kontakt zu Moscheen in Nordafrika suchen, um die Evakuierung der libyschen KZ-Häftlinge nach Europa praktisch vorzubereiten? Der Vatikan unterhält gute Beziehungen zur maßgebenden Al-Azhar-Moschee in Kairo und der Papst traf kürzlich im marokkanischen Tanger Migrant*innen und Flüchtlinge, die die Passage über das Meer nach Europa antreten werden. Der Papst in Tripolis? Das wäre ein starkes Signal  für die so dringliche Evakuierung.

Und warum machen sich nicht die Europäische Linke mit ihrem Präsidenten Gregor Gysi, Ska Keller von den Grünen, Mélenchon, Iglesias und Tsipras auf den Weg nach Tripolis, um die Schließung der EU-libyschen KZs und die Evakuierung der internierten Geflüchteten nach Europa zu verhandeln? Sie sind gefordert, alles zu tun, was in ihren Möglichkeiten steht, um die humanitäre Katastrophe abzuwenden, selbst wenn die Erfolgsaussichten noch so gering sind.

Bleibt für uns die Perspektive einer Evakuierung „from below“: Jede Flucht aus den KZs ist legitim, jedes Ablegen der Flüchtenden von der libyschen Küste müssen wir unterstützen. Es gibt kein Kontaktverbot zu libyschen Bürgermeistern, Moscheen, Vereinen und dortigen Angehörigen von Flüchtlingen und Migrant*innen, die es schon nach Europa geschafft haben Wagen wir die nächsten Schritte. Wann wenn nicht jetzt!

Migranti, Italia risponde all’Onu: “Critiche inadeguate. Ong favoriscono trafficanti”

Roma replica alla lettera inviata lo scorso 15 maggio in cui si chiedeva di „ritirare le direttive anti-ong e fermare il dl Sicurezza bis“ perché „violano i diritti umani”. Il documento le definisce delle contestazioni mosse „con un approccio inadeguato e di stupefacente ristrettezza mentale“ e ribadisce la linea contro le organizzazioni non governative

di F. Q.

Le critiche che l’Onu ha mosso all’Italia e al decreto Sicurezza bis con la lettera inviata lo scorso 15 maggio sono mosse “con un approccio inadeguato e di stupefacente ristrettezza mentale“. È scritto nella dura risposta italiana inviata all’Alto commissario Michelle Bachelet, come riporta l’Ansa che ha potuto leggere il documento. […]

Proprio il ministro dell’Interno aveva invocato “una dura presa di posizione del governo”, chiedendo che tutto l’esecutivo si schierasse al suo fianco contro le contestazioni mosse dall’Onu.

[…] La risposta italiana si articola in una lettera del rappresentante permanente dell’Italia presso le organizzazioni internazionali a Ginevra, Gian Lorenzo Cornado, e di una serie di precisazioni del ministero degli Esteri. Tra le altre cose, l’ambasciatore critica il fatto che le osservazioni inviate il 15 maggio scorso dai sei Rapporteurs delle Nazioni Unite siano stata fatte trapelare sui media italiani giorni prima del comunicato stampa ufficiale, mentre era in corso la campagna elettorale per le elezioni europee e che la lettera “non si sia astenuta dal criticare quello che era una mera bozza di decreto, non ancora presentata per la discussione in Consiglio dei ministri”. Questo, scrive il diplomatico, “non sembra aver garantito” l’imparzialità della missiva stilata dai sei esperti.

[…] Il testo sottolinea poi “lo sforzo intrapreso dal governo per lottare contro trafficanti e attività criminali”. In questo senso, si legge ancora, “il trasferimento ripetuto di migranti da alcune Ong, con l’obiettivo di dirigersi in Italia, è un tassello di una catena più articolata che porta a infrangere le disposizioni per l’ingresso legale nel territorio, il cui rispetto ricade tra le competenze primarie del ministro dell’Interno“. “Queste condotte reiterate – sostiene il testo – consentono di raggiungere l’obiettivo dei trafficanti”.

Il Fatto Quotidiano | 12.06.2019

 

 

 

UNO versus Salvini: Das Massensterbenlassen und die Menschenrechte