Die wenig effiziente ausländische Einmischung in Afrika beim Kampf gegen die Islamisten stößt bei der lokalen Bevölkerung auf immer mehr Unmut.

Demonstrationen gegen ausländische Eingreiftruppen. Plünderung einer UN-Basis. „Antiimperialistischer“ Aktionstag. In Mali und Burkina Faso, den beiden Staaten an der Front des Kriegs gegen bewaffnete Islamisten im Sahel, verschafft sich ein Phänomen Gehör, das nicht neu ist, aber jetzt massiv in den gesellschaftlichen Diskurs drängt: ein Nationalismus von unten gegen die Internationalisierung des „Kriegs gegen den Terror“.

Die Gründe liegen auf der Hand. Nirgends auf der Welt treten sich so viele auswärtige Interventionskräfte auf die Füße. […]

Ein gigantischer Tummelplatz für Besserwisser

Wer täglich die Profiteure des „Security Business“ erlebt, stellt sich irgendwann Fragen. Die Tageszeitung Le Pays in Burkina Faso, eins der klügeren Blätter der Region, fasste kürzlich die Fragen so zusammen: Die Eingreifer würden vom Chaos profitieren und daher nur so tun, als wollten sie die Dschihadisten besiegen. Ineffizienz und Unehrlichkeit sei ihr Spiel: Gegen den „Islamischen Staat“ im Irak und in Syrien hätten sie viel entschlossener gekämpft, wieso also nicht gegen viel schwächere Gegner in Mali und in Burkina Faso?

Das Argument, „Imperialisten“ schürten Afrikas Chaos selbst, um es auszunutzen, ist vertraut. Auch in der Demokratischen Republik Kongo ist die Überzeugung weit verbreitet, das Ausland brauche die lokalen Warlords als Vorwand für das Recht auf Einmischung. Für die Sahelstaaten analysiert Le Pays: „Man kann legitimerweise die These vertreten, wonach die Imperialisten mit den bewaffneten Gruppen unter einer Decke stecken, mit dem Ziel, unsere Staaten weiter zu untergraben, um ihre Anwesenheit zu rechtfertigen. […]

Koloniale Unrechtssysteme mit Bevölkerungsaustausch in Form von Zwangsvertreibungen und der Ansiedlung vermeintlicher loyaler Völker von woanders sind bis in die Gegenwart eine Wurzel zahlreicher Konflikte in ganz Afrika: Eine Volksgruppe verweigert aus historischen Gründen einer anderen das Recht auf Land oder Ämter, die andere greift zur Waffe. Wo solche Konflikte andauern oder neu aufbrechen, ist es meist nicht gelungen, einen postkolonialen Staat mit einer eigenen postkolonialen Legitimität aufzubauen.

Das ist für den Großteil der früheren französischen Afrikagebiete der Fall, wo nie eine Befreiungsbewegung die Macht erkämpfte, sondern koloniale Verwaltungsstrukturen weitergeführt wurden. Burkina Faso mit seiner Revolution der 1980er Jahre, als der kurzlebige junge Militärputschist Thomas Sankara die Rückbesinnung auf die eigenen Kräfte und Werte predigte, ist die große, aber unvollendet gebliebene Ausnahme. Dort hat sich immerhin eine selbstbewusste politische Kultur gehalten, die sich jetzt zu Wort meldet.

Die Sehnsucht nach der eigenen Kraft ist heute in allen Sahelstaaten mit ihrer jungen, ungestümen, mobilen und erfindungsreichen Bevölkerung immens. Aus irgendeiner Ecke werden sie auftauchen – die eigenen Helden, die den eigenen Weg gegen den Terror finden und eine eigene positive Erzählung in die Welt tragen können.

taz | 21.10.2019

„Sahelzone und Islamismus: Protest gegen Profiteure“