Gemeinsame Presseerklärung der Vereine Mare Liberum, MISSION LIFELINE und RESQSHIP

Verkehrsministerium verhindert Einsatz für Geflüchtete

Der Berliner Verein Mare Liberum, die Dresdner Organisation MISSION LIFELINE und der Hamburger Verein RESQSHIP betreiben jeweils Schiffe für Seenotrettung und Beobachtungsmissionen auf dem Mittelmeer. Gemeinsames Ziel ist es, Leben zu retten und Menschenrechte durchzusetzen. Sie wurden von der zuständigen Berufsgenossenschaft über eine rechtliche Änderung aus dem Verkehrsministerium informiert, die den Einsatz ihrer Boote blockiert und sie praktisch stilllegt. Mare Liberum, MISSION LIFELINE und RESQSHIP wenden sich gemeinsam gegen die Blockade ihrer Einsätze für Geflüchtete. Sie verurteilen die perfide Sabotage ihrer Menschenrechtsarbeit und fordern die Rücknahme der Verordnungsänderung, denn aus der offiziellen Begründung geht klar hervor, dass die verschärften Regeln zielgenau humanitäre Organisationen treffen soll.

Das Bundesverkehrsministerium (BMVI) änderte die Seesportbootverordnung und die Schiffssicherheitsverordnung in der Weise, die Yachten oder Kleinfahrzeuge, die „im Bereich des Umweltschutzes, der Seenotrettung, inklusive Beobachtungsmissionen, oder anderer humanitärer Zwecke“ (Begründung 19. SchSV ) eingesetzt sind, ab sofort mit derart strengen Sicherheitsanforderungen überzieht, dass sie praktisch nicht erfüllt werden können.

Damit reagiert das BMVI auf das von Mare Liberum im vergangenen Jahr in zwei Instanzen gewonnene Gerichtsverfahren, in dem sich der Verein erfolgreich gegen die Festsetzung seines Schiffes gewehrt hatte. Nach neuer Rechtslage werden alle Schiffe, die für humanitäre Zwecke eingesetzt werden hinsichtlich Bauweise, Ausrüstung und Besatzung der Schiffe mit Sicherheitsanforderungen konfrontiert, denen sie nicht ohne Weiteres nachkommen können. Die Boote können jetzt nicht mehr auslaufen, es drohen zudem hohe Bußgelder. Diese Rechtsänderung, die das BMVI ohne Anhörung der betroffenen NGOs erlassen hat, verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen höherrangiges Recht.

Nachweislich hat es seit Beginn der Rettungs- und Beobachtungsmissionen ziviler Schiffe am 1.7.2015, bei hunderten von Missionen, vielen tausenden Geretteten und hunderten von Einsatzkräften an Bord der Schiffe, nicht einen einzigen Unfall gegeben, der ein Crewmitglied an Leib oder Leben geschädigt hätte. Dies zeigt mit welcher enormen Sorgfalt die Organisationen und Privatpersonen vorgehen. Den Einsatz von Rettungsschiffen mit überzogenen Sicherheitsanforderungen zu verhindern ist zynisch gegenüber Flüchtenden, die sich in akuter Seenot befinden und auf Rettung hoffen. Laut Internationaler Organisation für Migration sind in 2020 mindestens 268 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken.

Die Änderungen zeichnen eine beunruhigende Parallele zum Vorgehen der Niederlande gegen zivile Seenotrettungsschiffe unter deren Flagge. Auch dort wurde zunächst der Einsatz von kleineren, als Sportboot registrierten Rettungsschiffen verboten, anschließend wurden durch eine weitere Gesetzesänderung auch große, als Frachtschiff registrierte Rettungsschiffe zum Flaggenwechseln gezwungen. So erklären auch die Seenotrettungsorganisationen Sea-Watch und Sea-Eye, dass sie sich bedingungslos hinter die betroffenen Organisationen stellen.

Dazu Hanno Bruchmann, Vorstandsmitglied von Mare Liberum : „Wir sind nach der Aufhebung der Corona-Beschränkungen in Griechenland bereit zum Auslaufen, werden daran jedoch vom deutschen Staat gehindert. Die zuständige Behörde informierte uns, dass die neuen Restriktionen gegenüber Mare Liberum angewandt werden. Ziel der neuen Verordnung ist schlicht, unsere Einsätze zu verhindern. Anscheinend sieht Andreas Scheuer lieber Menschen im Mittelmeer ertrinken, als dass sie Europa lebend erreichen. Die Änderung ist sofort zurückzunehmen.“

Axel Steier, Vorstand von MISSION LIFELINE: „Unter dem Radar der Öffentlichkeit ziehen die CSU-geführten Ministerien heimlich einen Knüppel nach dem anderen aus dem Sack, um uns ins Straucheln zu bringen. Das ist so perfide wie feige. Seenotrettung ist Verpflichtung. Wer sie behindert, hat sich von humanitären Werten verabschiedet. Versuche wie diesen gibt es, so lange es uns gibt. Wir lassen uns davon nicht beirren. Wir werden wieder auslaufen.“

 Stefen Seyfert von RESQSHIP: „Die neugefassten Verordnungen sind nicht nur rechtswidrig und unverhältnismäßig. Das Verkehrsministerium schafft damit auch aus moralischer Sicht einen neuen Tiefpunkt, indem es humanitäre Hilfe mit einem vorgeschobenen Argument zu verhindern versucht. Dabei sind es gerade die zivilen Organisationen, die für mehr Sicherheit auf See sorgen und sich für die Einhaltung des See- und Völkerrechts zum Schutz von Menschenleben einsetzen.“

PRESSEKONTAKTE:

Hanno Bruchmann Mare Liberum e.V. Tel: +49 176 20323380
presse@mare-liberum.org

Axel Steier MISSION LIFELINE Tel. +491759464525
presse@mission-lifeline.de

Stefen Seyfert RESQSHIP e.V. Tel: +49 173 1584922
presse@resqship.org

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Scheuers Torpedo

Verordnung insgeheim verschärft: Verkehrsminister legt Schiffe im Mittelmeer lahm und verhindert Rettung Geflüchteter aus Seenot

In der Coronakrise geben sich die Regierenden gern human. Doch wenn es um die ärmsten Opfer der imperialistischen Ausbeutung geht, ist es vorbei mit aller Menschlichkeit. Im März hatte das Bundesverkehrsministerium (BMVI) unter Andreas Scheuer (CSU) die Verordnungen für die Schifffahrt verschärft. Nun konfrontiere es die Seenotretter mit »derart strengen Sicherheitsanforderungen, die finanziell und technisch nicht erfüllt werden können«, wie die deutschen Organisationen »Mare Liberum«, »Mission Lifeline« und »Resqship« am Dienstag mitteilten. Das sei eine »perfide Sabotage der Menschenrechtsarbeit«. […]

junge Welt | 10.06.2020

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Strengere Vorschriften stoppen deutsche Seenotretter

Mehrere Deutsche Seenotrettungsschiffe müssen wegen neuer Sicherheitsvorschriften zunächst im Hafen bleiben.

Berlin – Wegen neuer Sicherheitsvorschriften müssen mehrere deutsche Seenotrettungsschiffe vorerst im Hafen bleiben. Durch eine kürzlich geänderte Verordnung werden Seenotretter rechtlich behandelt wie die Berufsschifffahrt, wodurch sie zusätzliche Auflagen erfüllen müssen. Verschiedene Hilfsorganisationen kritisierten die Neuregelung am Dienstag als unverhältnismäßig. Die Bundesregierung verhindere damit die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer. Aus dem zuständigen Verkehrsministerium war bis zum späten Nachmittag keine Stellungnahme zu erhalten. […]

FR | 10.06.2020

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Seenotrettung im Mittelmeer: „Neuer moralischer Tiefpunkt“

Im März reformierte das Verkehrsministerium die Sportbootverordnung. Die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer wird so nahezu unmöglich.

Mit zwei Rechtsreformen versuche die Bundesregierung, die private Seenotrettung im Mittelmeer auszuhebeln. Das werfen die NGOs Mission Lifeline, Resqship, Mare Liberum und Sea-Watch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vor.

Der hat bereits im März die Schiffsicherheitsverordnung und die See-Sportboot-Verordnung geändert. Kern der Reform: Sportboote, die für Freizeitzwecke gebaut und als solche im Schiffsregister registriert sind, dürfen nicht für andere Zwecke eingesetzt werden. Missionen zur Seenotrettung oder zur Beobachtung der humanitären Lage auf See wären damit tabu. Für solche müssten die gleichen Sicherheitsanforderungen erfüllt sein wie für kommerzielle Schiffe. Für die NGOs sei das nicht zu leisten, sagen diese.

Die neuen Regeln gelten für alle Schiffe, die unter deutscher Flagge laufen, und zwar auch dann, wenn sie außerhalb deutscher Hoheitsgewässer unterwegs sind, etwa im Mittelmeer. Nach Einschätzung der NGOs hätten damit andere EU-Staaten – etwa Italien, Malta oder Griechenland – Handhabe, solche Schiffe in ihren Häfen festzusetzen und am Auslaufen zu hindern.

Konkret betroffen wäre aktuell das Schiff „Rise Above“. Der Dresdner Verein Mission Lifeline lässt es derzeit in Norddeutschland ausbauen, um im Mittelmeer Rettungsaktionen durchzuführen. Gleiches gilt für das Segelschiff „Josefa“ des Hamburger Vereins Resqship, mit dem dieser im zentralen Mittelmeer Aufklärungsmissionen unternimmt. […]

taz | 09.06.2020

Bundesverkehrsministerium verhindert Seenotrettung

2 thoughts on “Bundesverkehrsministerium verhindert Seenotrettung

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