Seit Montag, 03.06.2019 befinden sich mehrere Migrant*innen und Geflüchtete im Rückkehrzentrum des Innenministeriums am Bürglkopf in Fieberbrunn (Bezirk Kitzbühel), Österreich im Hungerstreik. Mit ihrem Protest machen sie auf die inhumanen Zustände im Abschiebezentrum aufmerksam und fordern dessen Schließung. Von den 17 Personen, die den Hungerstreik Anfang des Monats begonnen hatten und teilweise auch jede Flüssigkeitsaufnahme verweigerten, befinden sich, Stand 15.06.2019, noch sechs Personen im Hungerstreik. Ihre Forderungen werden durch ein Protestcamp vor dem Tiroler Landesmuseum, Kundgebungen und Unterschriftenlisten unterstützt. Die Online-Petition fordert die Schließung ebendieses Abschiebezentrums als auch die des Abschiebezentrums am Flughafen Wien-Schwechat sowie die Unterbringung der Menschen in Grundversorgungseinrichtungen der Bundesländer.

Die Streikenden und ihre Unterstützer*innen prangern vor allem die fast völlige Isolation des Lagers an. Mit der Unterbringung der Menschen im Abschiebelager versuche man sie zur „freiwilligen“ Ausreise zu bewegen.

Erst am 12. Juni war ein 58-jähriger Ungar in Abschiebehaft im Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände verstorben. Die Umstände seines Todes seien noch unklar, so die Polizei. Am 18. Juni zündete ein 35-jähriger Afghane im selben Abschiebezentrum eine Matratze an. „Als Motiv für die Brandstiftung dränge sich die für Mittwoch geplante Abschiebung des Afghanen auf, sagte Polizeisprecher Harald Sörös.“

Die Betroffenen berichteten auf der Kundgebung [am 15.06.2019, Anm. d. Verf.] von ihrer persönlichen Geschichte und den Zuständen im Rückkehrzentrum. Deutlich zum Ausdruck kam dabei vor allem, dass viele der Bewohner*innen bereits jahrelang in anderen Städten Österreichs gelebt hatten, Wohnung, Freunde und Arbeit hatten, Deutsch gelernt haben – bis sie plötzlich aus alldem, was sie sich aufgebaut hatten herausgerissen und im Rückkehrzentrum interniert wurden. Die Berichte der Bewohner*innen von den Bedingungen in der Unterkunft zeichneten ein noch detaillierteres Bild ihrer verzweifelten Lage. Sie seien ob der fast völligen Isolation, der zahlreichen entmündigenden Maßnahmen, der respektlosen Behandlung seitens der Sicherheitsfirma ORS und des ständigen Aufeinandersitzens „kurz vor dem Durchdrehen“. Wollen die Kinder einen Fußball ausleihen, müssen sie dafür ihren Namen angeben, möchten sie ein Spiel benutzen, müssen sie dafür ihren Namen angeben. Unter dem Vorwand der Hygiene erfolgen tägliche Zimmerkontrollen, um diese auf selbstbeschaffte Lebensmittel zu durchsuchen.

Täglich verkehrt nur ein einziger Shuttlebus mit acht Plätzen auf dem Forstweg zwischen dem Rückkehrzentrum und Fieberbrunn, von wo aus sie nach nur zwei Stunden Aufenthalt wieder in ihre Unterkunft gebracht werden.

Zu dem Rückkehrzentrum Bürgelkopf teilt die Initiative [„Schließt Bürglkopf“, Anm. d. Verf.] mit:

Die seit November 2017 bestehende Anlage liegt auf 1250 Metern Höhe, drei bis vier Gehstunden vom Dorf Fieberbrunn entfernt. Ca. 40 Personen, darunter Familien mit Kindern, wurden dort zwangsuntergebracht und können die Region Kitzbühel nicht ohne strafrechtliche Konsequenzen verlassen. Sie haben keinen Zugang zu rechtlicher Beratung, was die Inanspruchnahme ihrer Rechte, sowie die Einhaltung juristischer Fristen verhindert. Da die Personen in dem Rückkehrzentrum nicht auf herkömmliche Weise abgeschoben werden können, versucht man sie durch die inhumanen Bedingungen dort zur „freiwilligen“ Ausreise zu bewegen. Eine Rückkehr wäre jedoch aufgrund der Kriegszustände im Herkunftsland oder politischer Verfolgung lebensbedrohlich. Der hungerstreikende Vater einer staatenlosen Familie hat uns mehrmals gefragt: „Wir haben nichts Kriminelles verbrochen, um hier in Isolation zu landen. Wir wollen menschenwürdig leben und nicht wie Tiere.“ Ein 15-Jähriger betonte uns gegenüber mehrfach, dass er sich wünscht, wie andere österreichische Jugendliche zur Schule gehen zu dürfen.

Bestehende Traumatisierung, Perspektivlosigkeit und soziale Isolation erhöhen massiv das psychische Leiden. Psychologische Betreuung fehlt in der Einrichtung und eine medizinische Versorgung ist durch die Abgeschiedenheit eingeschränkt möglich. Es gibt keinerlei Leistungen in Bargeld, weshalb die Beschaffung von geeigneten Medikamenten ebenfalls schwierig ist. Trotz der miserablen Zustände verursachte die Einrichtung allein im Vorjahr Kosten in Höhe von 1,39 Millionen Euro. Dies ging aus einer Anfragebeantwortung durch den Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hervor, unter welchen dieses Zentrum installiert wurde.

ANF News | 17.06.2019

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Auch die Bewohner selbst kamen bei der Kundgebung in Fieberbrunn zu Wort und schilderten sehr schwierige Bedingungen in der Unterkunft. Etwa dürften nur acht der 40 Personen am Tag für zwei Stunden vom auf 1250 Metern Seehöhe gelegenen Bürglkopf in den Ort fahren. „Es gibt dort oben keine Leute, keine Nachbarn“, schildert einer der Bewohner die Situation und ein weiterer sagt: „Es ist wie ein Gefängnis.“ Viele hätten Probleme zu schlafen, der psychische Druck sei einfach zu hoch. Und alle Bewohner formulierten denselben Wunsch: „Wir wollen leben wie Menschen.“

Solidarisch mit dem Protest am Bürglkopf zeigen sich mittlerweile auch Menschen und verschiedenste Organisationen in Innsbruck: Sie haben vor dem Tiroler Landesmuseum ein Camp aufgeschlagen und sammeln Unterschriften von Passanten, denen sie die Lage erklären. Sie wollen hier so lange bleiben, wie der Protest der Asylwerber am Bürglkopf dauert. Bereits mehr als 3000 Menschen haben die Forderungen unterzeichnet.

Tiroler Tageszeitung | 16.06.2019

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Ein 58 Jahre alter Mann ist in der Nacht auf Mittwoch in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum (PAZ) Rossauer Lände gestorben. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft. Eine Obduktion wurde angeordnet.

Der Ungar soll sich in einer Einzelzelle befunden haben. Am Dienstag hatte er im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Rechtsberatung Besuch von einem Mitarbeiter der Diakonie erhalten. Der Mann habe während des Termins mit der Rechtsberatung „sehr krank“ gewirkt, sagte Roberta Rastl, Mediensprecherin der Diakonie Österreich. […]

Die Diakonie erwartet angesichts des Vorfalls „eine unabhängige und lückenlose Aufklärung der Umstände dieses Todesfalles“, hieß es in einer Presseaussendung. Sie fordern trotz der Aussage der Polizei, dass eine Prüfung der Haftfähigkeit stattgefunden habe, weiterhin eine unabhängige Überprüfung. Die Diakonie ersuchte die Volksanwaltschaft, verstärkt ihr Augenmerk auf die Gesundheitsversorgung in Polizeianhaltezentren zu richten.

Wien.ORF.at │ 13.06.2019

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Ein 35-jähriger Schubhäftling hat am Dienstagvormittag eine Matratze in seiner Zelle im Polizeianhaltezentrum (PAZ) Rossauer Lände Alsergrund angezündet. Bei dem Vorfall wurde niemand verletzt.
Als Motiv für die Brandstiftung dränge sich die für Mittwoch geplante Abschiebung des Afghanen auf, sagte Polizeisprecher Harald Sörös. Der Mann dürfte den Brand mit einem Feuerzeug entfacht haben. Dieses habe er bei sich führen können, weil er in einer Raucherzelle untergebracht war, erklärte der Polizeisprecher.

Wien.ORF.at │ 18.06.2019

Österreich: Geflüchtete im Hungerstreik fordern die Schließung eines Abschiebezentrums