Wie könnte eine gute, nicht von den Interessen der großen Konzerne und nicht von europäischen Machtinteressen bestimmte Politik der EU gegenüber “Afrika” aussehen? Welche Forderungen wären zu stellen?

Offene Grenzen. Das rassistische Differenzial der Reisefreiheit muss umgehend abgeschafft werden. Die Angst vor einer “Invasion” ist unbegründet und purer Rassismus. Hin- und Rückreisen würden sich einpendeln. Ein Gewinn an “Diversity” würde Europa gut tun. Offene Grenzen und entsprechende Remissen in die Herkunftsländer sind die beste “Entwicklungshilfe”, denn dieses Geld erreicht die Bevölkerung sofort und ohne Abzüge.

Kein Militär, keine Rüstungsexporte. Staatliche Regimes, die demokratisch legitimiert sind und im Sinne der Bevölkerungen handeln, brauchen keinen militärischen Schutz von außen. Konflikte zwischen den betreffenden Staaten sind besser durch Bildung von übergreifenden Gemeinschaften zu lösen als durch Aufrüstung.

Reparationen für die Schäden der Kolonialzeit. Afrika hat durch die Versklavung seiner Bevölkerung, durch die Kolonialkriege und die Ausbeutung der Kolonien – bis heute – unermessliche Schäden erlitten. Der Ausgleich sollte in einer Höhe erfolgen, dass die Gewaltprozesse einer verspäteten Modernisierung abgefedert werden und ein direkter Weg in ein postmodernes Zeitalter einschließlich sozialer Garantien gelingen kann.

Unterstützung von Basisdemokratie und Munizipalismus. Gelder dürfen nicht an autoritäre Regimes und Militärdiktaturen fließen und sollen nicht in den Taschen der Oberklassen verschwinden. Aber auch die Präsenz von NGOs und “weißen Rettern” muss sehr kritisch gesehen werden. Entscheidend ist, Strukturen der Selbstorganisation und kommunale Strukturen zu fördern und ihnen Spielräume zu eröffnen.

Fairer Handel. Die Interessenten lokaler und selbstorganisierter Produzent*innen müssen in den Vordergrund gestellt werden. Die afrikanischen Kräfte des Widerstands gegen den Ausverkauf der Ressourcen und natürlichen Reichtümer müssen gestärkt werden.

Europa könnte in dem Sinne eine “Wiedergutmachung” leisten, dass es sich neben den genannten Punkten zum Verbündeten und zum Anwalt der Nöte und Interessen der afrikanischen Bevölkerung macht – nicht in Form weißer “Entwicklungshelfer”, sondern, indem es Afrikaner*innen nach Europa einlädt und es ihnen ermöglicht, ihre Forderungen hier zu stellen und zu reflektieren.

Auf den ersten Blick mögen diese Forderungen naiv erscheinen in Anbetracht des “New Scramble” im Wettstreit um afrikanische Ressourcen. Dem gegenüber ist es ein ganz anderer Zugang, auf die Mündigkeit der Menschen und auf basisdemokratische Strukturen zu setzen. Auf längere Sicht wäre das ein Weg, der „Afrika“ einen Ausweg aus den postkolonialen Verstrickungen bieten könnte und der „Europa“ aus seinem historischen Verhängnis befreit.

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How Africa can take this moment to end a 500-years-old economic model

Carlos Cardoso und Toby Green haben in African Arguments 25.06.2020 für ein umfassendes Schuldenmoratorium für Afrika plädiert, vielleicht ein erster Schritt in Richtung der Reparationen. Ein solches Moratorium wäre wohl kein Schritt aus dem globalem Kapitalverhältnis heraus, es wäre keine unmittelbare Garantie und Existenzsicherung für die Bevölkerung, aber es wäre vielleicht ein wichtiger Schritt. Der Bezug auf „African governments“ ist problematisch, aber vielleicht ist er das Beste, das derzeit zu haben ist?

The COVID-19 pandemic has, once again, exposed the structural problems at the heart of Africa’s place in the global economy. However, it also provides an opportunity to rethink a model that has failed the continent not just in this moment but for centuries. Rather than trying to return to normal – albeit with even greater debt and mass unemployment – African governments should take this rare chance to rebalance Africa’s relationship to global capital.

To do this, they could, firstly, seek not a moratorium on debt repayments but their cancellation. This would be a proportionate response given the size of the economic crisis. It would help African governments mobilise essential resources to support millions of people affected by economic and health impacts of the pandemic. It would be just given the tens of billions of dollars that leave the continent and end up in tax havens controlled by members of the G20. And it would hardly be unprecedented. There is a long history of debt cancellations in the West, including the forgiveness of French and German debt in 1934 and the abolition of Germany’s external debt in 1953.

Secondly, African governments could work together through the African Union and regional blocks to expand the continent’s credit facilities. The continent’s economies are struggling to access finance as external demand melts away and there is no sign of when it will return. In its place, however, a collective policy could be developed through pan-African banking systems such as Ecobank to “cash in” on capital held by members of the diaspora in the Global North. Each country could provide incentives to citizens overseas to hold their bank accounts in pan-African banking institutions as well as redoubling efforts to repatriate funds stored offshore. This in turn could help finance the expansion of credit lines across the continent as a whole.

Although they would be just a start, these twin policies of a debt cancellation campaign and increased credit – financed through the diaspora and pan-African banks – would bring money into African economies and significantly ameliorate the current crisis. In time, these policies could lead to an increase in credit for new local industries. But to happen, they require an urgent return to pan-African action. It is only with collective political will that these steps can begin to free African economies from a cycle of dependence and offer the first move away from the unequal capital relationships which have dogged the continent for centuries.

Reparationen für Afrika