Inzwischen wird in der Gegend von Tripolis wieder geschossen.

Viele Libyer sehen den Ausgang der Berliner Libyen-Konferenz skeptisch. Sie halten eine Waffenruhe für unwahrscheinlich. Das liege nur bedingt an den Libyern selbst. Die eigentlich Verantwortlichen seien andere.

[…] „Es haben sich Staatsmänner aus der arabischen Nachbarschaft und anderen Weltregionen getroffen, die aber nicht auf die spezifischen Bedürfnisse der Libyer eingegangen sind“, so Bakkar im Gespräch mit der DW.

Ähnlich sieht es die Aktivistin und Bloggerin Laili Bin Khalifa aus Tripolis. […]

„Es war ein gut gemeinter Versuch, nicht mehr und nicht weniger. Aber er wird nicht zum Frieden führen“, so Bin Khalifa im DW-Interview.

Das liege auch daran, dass es den Vertretern der eingeladenen Staaten ganz wesentlich um eines gegangen sei: „Sie haben versucht, ihre Interessen abzugleichen und ihre eigenen so weit wie möglich durchzusetzen. Eine Lösung für Libyen haben sie dabei nicht erreicht.“

DW | 20.01.2020

Derweil  dementiert der Uno-Sondergesandte Salamé, dass eine militärische Intervention überhaupt erforderlich sei.

Den Einsatz einer internationalen Friedenstruppe sieht der Uno-Sondergesandte Ghassan Salamé allerdings nicht als sinnvolle Option. „Es gibt in Libyen keine Akzeptanz für ausländische Truppen. Ich sehe in der internationalen Gemeinschaft auch nicht die Bereitschaft, Truppen zu entsenden“, sagte er der „Welt“. „Ich strebe darum keine solche militärische Operation an.“

Nach Ansicht von Salamé ist es wichtiger, die derzeitige Waffenruhe in einen dauerhaften Waffenstillstand zu überführen. Dafür seien aber keine Blauhelme nötig, sondern nur eine kleine Zahl von Militärbeobachtern.

Der Spiegel | 21.01.2020

Algeriens Regime „kommt aus dem politischen Winterschlaf“ und hat sich als Vermittler positioniert und versucht damit, sowohl die eigene Position zu stärken wie auch die fortdauernde Protestbewegung mit antiimperialistischen Parolen zu übertrumpfen.

Prior to his removal from power following a popular uprising, chronically incapacitated former president Abdelaziz Bouteflika had caused his country, once a powerhouse of international diplomacy, to retreat on both the regional and international arenas.

The war in Libya however is forcing Algeria’s new rulers to quickly reanimate the nation’s formidable foreign policy machinery – albeit Algeria observers say they have domestic politics in mind too. […]

But while Algeria has stated the fall of Tripoli to French-backed Haftar would be a red line, its goals in Libya do not necessarily align with those of Turkey.

„Algeria is trying to maintain neutrality and wants to be seen as a neutral leader in resolving or mediating the conflict in Libya,“ Dr Sarah Yerkes, a Carnegie Fellow and expert on the region, told The New Arab.

„That said, I would say Algeria is closer to Russia than Turkey.“

Algeria is casting a wide net for diplomatic mediation, dispatching Foreign Minister Sabri Boukadoum on a Gulf tour to discuss Libya with Saudi Arabia and the UAE. […]

President Tebboune earlier this month indicated a strong desire to move away from any military solution in Libya, calling on „the international community, particularly the United Nations Security Council, to carry out its responsibilities by enforcing an immediate ceasefire and putting an end to the military escalation“ in Libya.

„The solution lies in consultations between all Libyans, with the mediations of all the neighbouring countries, especially Algeria,“ Sabri Bogadom, head of the caretaker government in Algeria said at the time, echoing his boss.

„Because of its history, Algeria is very cautious to intervene in other countries. We suffered so much from colonialism and international foreign interference I think this is kind of a solid principle,“ said Tin Hinane El Kadi, an Associate Fellow at London-based think tank Chatham House, downplaying the possibility for Algeria to cross the border into Libya to achieve its goals.

„I don’t think you will see Algerian troops going into Libya,“ she said. „It’s not part of the mentality of the army.“

For Algeria’s new rulers, Libya presents an irresistible opportunity to gain international legitimacy, with Tebboune using the conflict to bolster his position. Since the presidential elections last year, Libya has figured highly on Tebboune’s agenda, even when he was prime minister.

But Tebboune’s inauguration remains a point of contention for Algerians across the country who see him as a holdover from the old order and his participation in brokering a peace deal, therefore, may be hindered by the perceived dubious credentials of his presidency.

It comes as no stretch of the imagination to argue then that the president’s enthusiasm for Libya’s peace process may have less to do with altruism and national safety and more to do with legitimising his claim to the president’s seat. Each time an international leader reaches out to Tebboune they are confirming his position as leader of Algeria – a precarious and delicate position so far.
Hundreds of thousands of Algerians take to the streets every Friday – with student protests occurring every Tuesday – in a democratic movement aimed at putting an end to the political elite governing the country.

 The New Arab | 21.01.2020

Die TAZ berichtet am 21.02. ausführlich über die Bedeutung des Libyschen Öls und die Rolle der Nationalen Ölgesellschaft. Dominic Johnson relativiert damit sein Plädoyer für eine Militärmission vom Vortag.

Die Gefahr, dass das Öl zur zweiten Kriegsfront in Libyen wird, ist paradoxerweise durch die Berliner Libyen-Konferenz gestiegen. Am Tag vor der Konferenz blockierten Haftars Truppen in einer koordinierten Aktion die Ölexporthäfen Brega, Ras Lanuf, al-Sedra und al-Hariga. Zugleich blockierten mit Haftar verbündete Milizen die Pipeline, die von Libyens größtem Ölfeld El Sherara im Südwesten Landes zum regierungskontrollierten Hafen Zawiya nahe der tunesischen Grenze führt.

[…] Solche Blockaden sind streng genommen kein Verstoß gegen den Waffenstillstand in Libyen, aber sie sind die effektivste Kriegswaffe. Sinn machen sie für Haftar nur, wenn er sich schon überlegt hat, wie er am Öl auf eigene Faust Geld verdienen kann. Dann kann er sich jedem Friedensprozess entziehen.

Dies zu verhindern, wird eine der vordringlichsten und zugleich schwierigsten Aspekte des neuen internationalen Libyen-Friedensprozesses. Optimismus ist nicht angebracht. Schon jetzt ist die EU untätig gegen den blühenden Schmuggel von Ölprodukten aus Westlibyen nach Malta.

TAZ | 21.01.2020

Am Rande druckt die TAZ ein Interview mit der Linken-Abgeordneten Sevim Dağdelen, in dem diese auch zum Ölgeschäft Stellung nimmt – und zur Rolle der Waffenexporte, die im Zusammenhang der Berliner Konferenz bislang so gut wie gar nicht zur Sprache gekommen sind.

TAZ: In der ARD haben Sie von einem „Stellvertreterkrieg der Ölkonzerne“ gesprochen – heißt das, alle ausländischen Konzerne sollten aus dem Land raus?

Dağdelen: Nicht nur die ausländischen Truppen, wie es die UNO fordert, auch die ausländischen Ölkonzerne sollten das Land verlassen. Ihr erbitterter Streit um die Claims ist die Quelle des Stellvertreterkriegs infolge der Nato-Intervention. Der Profit aus dem libyschen Öl sollte alleine dem libyschen Volk zugutekommen. So könnte der Wiederaufbau finanziert und den Libyern, aber auch Hunderttausenden Migranten im Land eine ökonomische Perspektive geboten werden.

TAZ: Während das Waffenembargo verhandelt wurde, exportierte Deutschland weiterhin Waffen an Staaten, die in den Libyen-Konflikt involviert sind. […]

Dağdelen: Deutschland sollte die Waffenexporte an die im Libyen-Krieg beteiligten Länder stoppen. Dazu gehören die Emirate, Ägypten, Türkei und auch Katar, die seitens der Bundesregierung in den letzten Jahren massiv aufgerüstet wurden. Wenn islamistische Terroristen Erdoğans im auch von deutschen Rüstungskonzernen hergestellten Militärtransporter A400M nach Libyen geflogen werden, ist das jedenfalls kein Beitrag zum Frieden.

TAZ | 21.01.2020

Zur Situation in Libyen nach der Berliner Konferenz