Gastkommentar: Valeria Haensel

In den Berichten und Kommentaren zum Feuer von Moria wird kaum thematisiert, dass Corona massiv instrumentalisiert wird, um eine Politik der Einsperrung umzusetzen. Seit März saßen die Refugees in völliger Unterversorgung im Lager unter Lockdown, es gab am Ende nicht einmal mehr 1.000 Kalorien pro Person pro Tag. Mit dem Auftreten erster Corona-Fälle im Lager wurde ein Vertrag mit einer Privatfirma über 800.000 Euro abgeschlossen, das Lager mit NATO-Draht einzuzäunen und Überwachungstechnologie zu installieren, um Ausbrüche zu verhindern (großteils EU finanziert). Vorgestern gab es dann 500 Corona Tests und einige Leute waren positiv. Jetzt ging große Angst um, dass nun alle weggesperrt werden sollten.

Jeglicher nicht-repressive Umgang mit Corona wurde verhindert. Ärzte ohne Grenzen musste nach Androhung einer riesigen Geldstrafe für eine „illegale Klinik“ ihre Corona-klinik bei Moria schließen. Wenn es gegen Corona nur Politiken der Einsperrung gibt, ist es kein Wunder, dass es kein Vertrauen bei den Menschen im Lager gibt und Widerstand gegen die Maßnahmen aufflammt.

Wenn sich nun deutsche Politiker*innen hinstellen und von der „Schande Europas“ reden, ist das an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten. Es entspricht unter anderem den Plänen des BMI, verbunden mit der GEAS Reform, in Moria und anderswo geschlossene Lager zu errichten. Dass jetzt wieder eine handvoll Menschen aufgenommen werden sollen und dass, wenn sich die kurze Erregung gelegt hat, die Pläne für die Hot Spots umgesetzt werden oder einfach so weitergemacht wird wie bisher, das könnte nur durch eine anhaltende Welle der Empörung und Solidarität verhindert werden.

Mit einer völligen Selbstverständlichkeit ist die deutsche Küstenwache dabei, wenn Menschen in der Ägäis zurück-gepuscht werden, immer wieder gibts auch Todesfälle, und auf Lesbos kommen kaum noch Menschen an. Wenn doch noch Boote landen, verschwinden die Menschen von den Stränden und finden sich kurze Zeit später auf Rettungsinseln mitten im Meer wieder. Teilweise wurden sie auch mit der Begründung einer Corona-Quarantäne festgehalten und waren später „verschwunden“.

Ohne diese krasse Gewalt und die Rechtsbrüche an der Grenze werden die geschlossenen Lager, die sich BMI und EU wünschen, niemals möglich sein. Denn nur, weil kaum noch Leute ankommen, können diejenigen eingesperrt werden, die bleiben wollen. Die betroffenen Menschen, um deren Leben, Zukunft und Tod es geht, können sich das nicht mehr bieten lassen. Uns muss es jetzt um eine Zukunft für die Menschen in Moria gehen, aber auch um das, was auf der Asche von Moria neu errichtet werden soll, um welchen Preis und wer es finanziert.

Coronapolitik in Moria