Seit dem 22. Februar 2019 waren am gestrigen Freitag zum achten Mal in Folge Millionen Menschen auf der Straße, um gegen „das System“ und „die Macht“ („le pouvoir“) zu demonstrieren. Nachdem Bouteflika am 2. April aus dem Amt gejagt worden war, hatte der Armeechef Gaid Saleh am vergangenen Dienstag den Bouteflikavertrauten Bensalah als neuen Staatspräsidenten inthronisiert.

Obwohl in der letzten Woche der Armeechef Gaid Salah bei anhaltenden Demonstrationen mit dem Ausnahmezustand gedroht und die Polizei in Algier mit Tränengas, Wasserwerfern und Lärmkanonen gegen Basisgewerkschafter*innen und Studierende vorgegangen ist, hatten sich tausende Menschen schon am Vorabend des Freitag auf den Weg in die Hauptstadt aufgemacht. Die Polizei blockierte seit Donnerstagabend alle großen Zufahrten in die Stadt Algier. Ab Freitagmorgen besetzten zahlreiche Demonstrant*innen die zentralen Plätze der Innenstadt und wehrten sich erfolgreich gegen ihre polizeiliche Vertreibung. Ab 14 Uhr kamen in Algier wie in allen Städten des Landes erneut Millionen Menschen auf der Straße zum Protest zusammen. Wieder waren Kinder, Frauen, Alte und in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen dabei. In Algier umringte die schiere Masse die zahlreichen Polizeieinheiten. Auf polizeiliche Provokationen reagierten die Demonstrant*innen ruhig und besonnen. Ab 17:50 Uhr gingen auch polizeiliche Spezialeinheiten gegen die riesigen Menschenmassen grundlos mit massivem Tränengaseinsatz und mit Gummigeschossen vor. Da es keine schnellen Fluchtmöglichkeiten gab, verfielen einige in Panik, andere wurden von den Geschossen verletzt. Der polizeiliche Tränengaseinsatz am berühmten Fakultätstunnel der Innenstadt von Algier wurde zum Zeichen des Tages: Die dicht gedrängten Menschen im Tunnel konnten zu keiner Seite entweichen, es kam zu vereinzelter Panik und zu Verletzungen auch von Kindern und Alten. Etablierte Menschenrechtsgruppen kündigten im Anschluss an, dass die Verantwortlichen für diesen grundlosen menschengefährdenden Polizeieinsatz ausfindig gemacht und bestraft werden müssen. „Verhandlungen“ mit den Machthabern werde es nicht mehr geben.

Algerien: Millionen auf der Straße – Tränengas, Wasserwerfer und Gummigeschosse in Algier