Annette Weber fasst die blockierte Situation im Sudan auf Quantara am 28.01.19 zusammen und zieht Verbindungen zu den Gelbwestenprotesten in Frankreich:

Ähnlich wie derzeit in Frankreich steht auch im Sudan nicht weniger auf dem Spiel als die Zukunft der Gesellschaft und der politischen Kultur des Landes. Auch im Sudan ist es ein Querschnitt aller Bevölkerungsgruppen – inklusive der Mitte –, der auf die Straße geht. Anders als in Frankreich jedoch sind die Reaktionen brutaler, die Folgen gravierender…

Der Vergleich mit den Gelbwesten hinkt – die Situation in Frankreich ist mit der im Sudan nicht gut vergleichbar, was vor allem mit dem ungleich bezifferten Wert eines Menschenlebens zu tun hat. Es werden drei mögliche Szenarien beschrieben, wobei die ersten beiden Szenarien als für die EU unerwüscht beschrieben werden in Hinsicht auf die Ziele regionale Stabilität und Kontrolle der Migration. Aber welche Macht würde das Szenario 3, einen friedlichen Wechsel und wirtschaftlichen Aufschwung, vermitteln und finanzieren? Annette Weber hat es vermieden, das Szenario 1, das als worst case Szenario beschrieben wird, als „Syrische Lösung“ zu bezeichnen. In der Tat ließe sich ein sudanesischer Bürgerkrieg nicht auf ein Staatsgebiet einhegen. Der Nil fließt von Khartoum nach Kairo.

Szenario 1:

Bashir setzt auf Härte und kann sich dabei wie bisher auf die Loyalität großer Teile der Armee verlassen. Die urbane Mittelschicht spaltet sich in Regierungstreue und politische Opposition, die jüngere urbane Bevölkerung, die keinem Klientelnetzwerk angehört, verfällt entweder in Lethargie oder schließt sich der – bewaffneten oder unbewaffneten – Opposition an. In der Folge kommt zu den beiden bestehenden Bürgerkriegsfronten Darfur und Südkordofan eine urbane Front hinzu. …
Eine weitere Zuspitzung der Situation ergibt sich, wenn sich Teile des Sicherheitsapparates vom Regime abspalten und Allianzen mit der bestehenden bewaffneten Opposition bilden. Diese Fragmentierung führt zu einer weiteren Eskalation des Bürgerkriegs, der militärisch nicht gewonnen werden kann, aber Ressourcen bindet. Unter diesen Umständen wird sich die Regierung illiberalen Staaten zuwenden, die den Bürgerkrieg finanzieren.

Szenario 2:

Das Ägypten-Mubarak-Szenario: Die Proteste halten an und eskalieren. Die Aufspaltung des Militärs und der Zusammenschluss von politischen Parteien, den Demonstrierenden und Teilen des Sicherheitsapparats setzt die Regierungsspitze unter Druck. Es kommt zu einem Militärputsch oder einem auf Druck der Opposition herbeigeführten Führungswechsel. Im Anschluss müssen neue Allianzen erst hergestellt und Interessendivergenzen überwunden werden. Die Bekämpfung des sich aufbäumenden alten Regimes bindet enorme Kraft. Das Land würde somit als regionaler Akteur und für die Kooperation mit Europa für einige Zeit ausfallen.

Szenario 3:

Das Äthiopien-Abiy-Szenario: Die Regierung setzt ein deutliches Zeichen, dass sie bereit für einen Wandel ist. Bashir kündigt seinen baldigen Rücktritt an. Neuwahlen werden angekündigt, und es wird eine Übergangsregierung der „nationalen Einheit“ gebildet, die sich aus politischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Kräften aus allen Landesteilen zusammensetzt. Eine Roadmap, die sich vor allem auf wirtschaftliche Reformen konzentriert.

Alternativen im Sudan