SARAJEWO taz | Als die Menschenrechtsbeauftragte des Europarats, Dunja Mijatović, nach Abschluss ihres Besuchs in dem Flüchtlingslager Vučjak bei der bosnischen Stadt Bihać am Dienstag ein Resümee zog, war ihr die Erschütterung über das Gesehene anzumerken. Nach wie vor sitzen über 700 Menschen auf der ehemaligen Müllhalde fest. Es gibt kein fließendes Wasser und nur sporadisch Strom, die sanitären Anlagen sind in einem katastrophalen Zustand. Die einfachen Zelte boten im Sommer etwas Schutz, jetzt, bei Minusgraden, Schnee und Regen, sind die auf der blanken Erde schlafenden Migranten beißender Kälte und Feuchtigkeit ausgesetzt.

Vertreter des Roten Kreuzes, der International Organization for Migration (IOM) und von Ärzte ohne Grenzen schlagen seit Wochen Alarm. „In Vučjak schlafen die Menschen jetzt in diesen kalten Zelten. Unsere Schuhe versinken im Schlamm“, berichtet der deutsche Journalist Dirk Planert. Seit Juni vergangenen Jahres hatte er in Vučjak Nothilfe geleistet, wurde dann wegen nicht autorisierter Hilfstätigkeit aus dem Land ausgewiesen und ist jetzt wieder zurückgekehrt. […]

Anfang November beschloss der Stadtrat die Auflösung des Lagers in Vučjak. Aber wohin sollten die Migranten gehen? Zwar schafften es in den letzten Monaten Hunderte von ihnen trotz des harten Vorgehens der kroatischen Sicherheitskräfte durch die Grenze zu schlüpfen und nach Kroatien und damit in die EU zu gelangen. Doch ebenso schnell rückten Hunderte Migranten nach.

Für den Journalisten Dirk Planert gibt es keine Alternative: Man müsse den Migranten in Vučjak jetzt mit Zelten, Essen und Öfen helfen.

TAZ | 04.12.2019

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Migranten in Bosnien: Zwischen Kälte und dem Traum von der EU

Wegen der Kälte haben viele das Zeltlager Vucjak verlassen. Doch manche möchten bleiben, weil sie in der Nähe der kroatischen Grenze bleiben wollen

[…] In Vucjak selbst verweigern Migranten seit drei Tagen das Essen, das ihnen vom bosnischen Roten Kreuz gebracht wird. Mit dem Streik wollen sie erreichen, dass sie in die EU, also nach Kroatien, einreisen können. Das Rote Kreuz hat deshalb nun seine Helfer abgezogen. Die Migranten betonen zudem, dass sie nicht in ein anderes Lager in Bosnien übersiedelt werden wollen.

Am Dienstag griffen einige von ihnen Polizisten an, weil diese sie unter einem Lastwagen, der Brennholz gebracht hatte, herausholen wollten. Auch sie wollten mit diesem Protest erreichen, dass die Grenzen geöffnet werden. Die meisten Migranten wissen, dass sie keinerlei Chance haben, in der EU oder in anderen Teilen Europas einen legalen Aufenthaltsstatus zu bekommen. Deshalb wollen viele nach Italien und dort untertauchen. Manchmal werden aber auch falsche Hoffnungen und Gerüchte geschürt. Und solange es einige von ihnen bis nach Italien schaffen, bleibt der Pullfaktor Richtung Bihac bestehen. […]

derStandard | 06.12.2019

„Vučjak könnte Todesfalle werden“