Die deutsche Sektion von Amnesty International vergibt ihren diesjährigen Menschenrechtspreis an zehn ehemalige Crewmitglieder des Rettungsschiffes Iuventa. Das gab Amnesty Deutschland-Generalsekretär Markus Beeko am Dienstag bekannt. Die als „Iuventa 10“ bekannte Gruppe war 2016 und 2017 an 16 Missionen der deutschen NGO Jugend Rettet im Mittelmeer beteiligt. Dabei rettete sie etwas mehr als 14.000 Menschen aus Seenot. Seit 2017 ermittelt die Staatsanwaltschaft in Sizilien gegen die AktivistInnen wegen Beihilfe zur illegalen Einreise. Ihnen drohen bis zu 20 Jahre Haft, der Prozess könnte sie rund eine halbe Million Euro kosten. […]

Die italienische Staatsanwaltschaft hatte die Iuventa im August 2017 auf Lampedusa beschlagnahmt. „Seitdem liegt das Schiff im Hafen von Trapani und verrottet, es kann nicht mehr für Rettungen eingesetzt werden,“ sagt Sascha Girke, eines der 10 Crewmitglieder. Er wies den Vorwurf der Beihilfe zur illegalen Einreise zurück. „Alle unsere Einsätze wurden mit Italiens Behörden koordiniert und die Geretteten den Behörden dann an Land übergeben“, sagte er. Selbst die italienische Staatsanwaltschaft habe festgestellt, dass die Crew „aus Solidarität“ gehandelt haben. „Was kriminalisiert wird, ist also die Solidarität.“ […]

Girke erinnerte daran, dass Hunderte Menschen wegen ähnlicher Vorwürfe bereits in südeuropäischen Gefängnissen sitzen – nämlich Flüchtlinge selbst, etwa wenn diese ein Boot, in dem sie selbst saßen, gesteuert hätten. „Und die bekommen keine Aufmerksamkeit.“ In der vergangenen Woche hatte der Spiegel berichtet, dass allein in Griechenland zwischenzeitlich fast 2.000 Häftlinge wegen Beihilfe zu illegalen Einreise im Gefängnis saßen. Im Herbst hatte die Justiz den Afghanen Naim K. zu 288 Jahren Knast und 3,8 Millionen Euro Geldstrafe verurteilt.

Auch andere Helfer sind im Visier

Am 4. Februar verurteilte eine Richterin in Komotini in Griechenland, die Marokkaner Hamza Haddi und Mohamed Haddar zu jeweils vier Jahren Haft. Wie die NGO Borderline Europe berichtet, hatten die beiden während ihrer eigenen Flucht ein Boot gerudert hatten, in dem noch zwei weitere Flüchtlinge saßen.

Auch gegen die deutsche NGO Mare Liberum, die seit 2018 in der Ägäis Menschenrechtsbeobachtungen durchführt, hat die griechische Staatsanwaltschaft Vorermittlungen aufgenommen. Im Januar 2019 wurde Mare Liberum-Vorstand Philipp Hahn deshalb bei der Küstenwache von Mitilini auf der Insel Lesbos einbestellt. Das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf „Schmuggel“ ist anhängig. […]

Eine im Mai 2019 veröffentlichte Studie der britischen Forschungsplattform Asyl und Migration zufolge wurden zwischen 2015 und 2019 insgesamt in elf Ländern mindestens 49 Verfahren gegen 158 Personen eröffnet, die humanitäre Hilfe für Migranten und Flüchtlinge geleistet hatten. Grundlage war in allen Fällen die Anti-Schlepper-Richtlinie.

 

„Amnesty-Preis für Iuventa 10“