Bereits am 24.06.2019 und am 26.06.2019 berichteten wir auf FFM über das neue Flüchtlingslager Vucjak in Bosnien – errichtet auf einer alten Müllhalde. Zwischen 400 bis 800 Menschen sind in dem Lager auf dem Weg nach Europa gestrandet. Direkt nach der Eröffnung wurde das Lager aufs Schärfste kritisiert: es gibt keine Sanitäranlagen, das mit LKWs zum Lager transportierte Wasser reicht nicht für alle, die Versorgung mit Essen ist unzureichend, Menschen schlafen auf dem Boden.

Fünf Wochen nach der Eröffnung berichten die Zeit und SpiegelTV über die Zustände im Lager.

„Und auf diesem Müll landen Menschen wie wir alle hier, und die sind hier gezwungen hier zu bleiben. Das ist eine Schweinerei und das ist ein unmenschlicher Zustand und das ist unaushaltbar.“

Karin Tschare-Fehr, freiwillige Ärztin aus Wien im SpiegelTV-Beitrag

SpiegelTV

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Gestrandet auf einem Müllberg
Wer über die Balkanroute in die EU will, läuft überall an Zäune. An der bosnisch-kroatischen Grenze sind Migranten derzeit auf einer ehemaligen Müllkippe untergebracht.

Hinter den weißen Zelten ragen die Reste verrotteter Plastikflaschen und Müllfetzen aus dem hastig planierten Erdreich. „Schau dir das selbst an“, sagt der Pakistaner Izmail* kopfschüttelnd. Bis vor wenigen Tagen habe das Flüchtlingslager noch nicht einmal Toiletten gehabt, erzählt der 35-jährige Schreiner, der derzeit hier untergebracht ist. Zehn Kilometer entfernt liegt die westbosnische Stadt Bihać, Mitte Juni hat sie das Auffanglager für Migranten auf der Balkanroute hier eröffnet – auf der ehemaligen Mülldeponie Vučjak. „Das Lager ist ein Müllberg in einem Wald“, sagt Izmail. „Kein Ort für Menschen, sondern für Tiere.“

Ein Straßenhund döst vor dem Sanitätszelt im Staub. Zwischen 400 bis 800 Menschen beherbergt das Auffanglager, die meisten kommen aus Pakistan und Afghanistan, sagt der lokale Rote-Kreuz-Helfer Rizah. […]

Die Geflüchteten täten ihr leid, sagt eine Frau in ihrem Vorgarten, Probleme mit den neuen Nachbarn gebe es keine. Dass die Geflüchteten fern der Stadt auf einer Mülldeponie „voll Gasen und Schlangen“ abgeladen werden, bezeichnet sie als „Gipfel der Unmenschlichkeit“. […]

Im Sanitätszelt in Vučjak lassen die unfreiwilligen Rückkehrer ihre Wunden versorgen. Arye Wachsmuth aus Wien hilft hier in seinem Urlaub als freiwilliger Assistent einer befreundeten Ärztin und versorgt Insektensticke, Schürf- und Schlagwunden. Normalerweise ist er Künstler und Familienvater. „Es scheint inzwischen Standard, dass die Leute geschlagen werden“, sagt er. „Das sind keine spontanen Gewaltorgien. Das hat System.“ Oft würden die Menschen von den Grenzern mit Ästen und Knüppeln so lange auf Schienbeine und Knie geschlagen, bis „die Haut platze“, sagt Wachsmuth. Es sei aber auch schon vorgekommen, dass bei geschlagenen Flüchtlingen Kopfwunden hätten genäht werden müssen: „Gestern hatten wir den Fall eines Mannes, dem mit flachen Händen von beiden Seiten so hart auf die Ohren geschlagen wurde, dass ein Trommelfell platzte.“

„In Europa schauen alle weg“

Außerdem seien die hygienischen Zustände im Lager problematisch. Es gebe kaum Medikamente, weshalb etwa die Krätze nicht angemessen behandelt werden könne. Am schlimmsten aber, sagt der Hilfssanitäter im Ferieneinsatz, sei das Symbol, dass „Menschen auf einer Deponie deponiert“ werden. „Die Leute werden entsorgt. Und in Europa schauen im Moment alle weg.“

Die Zeit │ 29.07.2019

Bosnisches Flüchtlingslager Vučjak – die Mülldeponie