In einer Expertise für die EU-offiziöse „Fondation Robert Schuman“ vom 18.11.2019 zieht der Wissenschaftler Léonard Colomba-Petteng eine vernichtende Bilanz der EUCAP Sahel Niger Mission. Er ruft in seiner Vor-Ort-Studie („The Common Foreign and Security Policy under test in Niger“) dazu auf, die Mission technisch abzurüsten und eine Exit-Strategie zu erarbeiten, anstatt ihr Mandat zu verlängern.

Die erfolgsbetonte Kommunikation der im Niger stationierten Kräfte nach Brüssel sei unglaubwürdig. Die EUCAP-Verhältnisse vor Ort in Niamey und Agadez verhießen nichts Gutes.

Auch die Migrationsabwehr der EUCAP sei im Wesentlichen gescheitert. Die kommerziellen Fluchthelfer seien nach der Beschlagnahme ihrer Fahrzeuge nur zu 10 Prozent in neue, aber unzureichende Einkommensverhältnisse eingegliedert worden. Die politische Klasse Nigers wende sich inzwischen gegen die EU-Migrationsabwehr im Niger. Die EU-Umschulungen der Polizei, Gendarmerie, Nationalgarde und des Militärs von lokalen Ordnungskräften zu Migrationsbekämpfern sei wirkungslos geworden: Die nigrischen Einheiten nähmen nicht mehr freiwillig an der Fortbildung teil, sondern würden durch Dekret und individuelle finanzielle Zulagen zur Teilnahme an den EU-Maßnahmen gebracht. Beispielsweise erhielten Polizisten (Monatslohn: 110 Euro) von der EU eine Tages- (!) Zulage von 185 Euro. In Agadez müssten sich die EU-Kräfte in einer 14.000 m2 großen befestigten Anlage Tag und Nacht aufhalten, Ausgänge nur in gepanzerter und bewaffneter Begleitung. Für nigrische Ortskräfte der EU-Mission gelten diese Sicherheitsstandards nicht. EU-Kräfte, die seit Jahren in Agadez stationiert seien, würden das Land kaum kennen. Die wachsende Abneigung der nigrischen Bevölkerung gegen französische und US-amerikanische Soldaten weite sich inzwischen auch auf die nigrischen Ortskräfte gegenüber den „zivilen“ EU-Einheiten aus.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsministerin Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatten sich in den vergangenen Monaten stets mit Freude zu der „Ertüchtigungsinitiative“ im Niger geäußert, deren Mandat bis zum 30.09.2019 läuft. Den Deutschen war es zusammen mit der italienischen Regierung 2014 gelungen, die seit 2012 laufende Mission zur wichtigsten migrationsfeindlichen Dauer-Operation im Sahel umzuwidmen. Ursprüngliche Aufgabe war die Bekämpfung von Terrorismus und Schmuggel.

In den Sahel-Staaten wird befürchtet, dass im kommenden Jahr die wenig effizienten, aber geldbringenden Missionen aus der EU zusammengekürzt werden. Vor allem Frankreich forciert die Bündelung der EU-Kräfte zu einer erhöhten militärischen Anstrengung im Sahel.

Bereits bei der Mission EUCAP Sahel Niger sei laut der genannten Studie zu konstatieren, dass es zu Spannungen zwischen Franzosen und anderen Europäern vor Ort komme: Während die Franzosen den nahen Beratungsplatz bei den nigrischen Behörden beanspruchten, sei der Rest der EU-Kräfte mit der Aufrechterhaltung der aufwändigen Stationierungslogistik und der eher internen Verwaltung beschäftigt. Die Krise der Vorverlagerung der Festung Europa in der Sahara und im Sahel ist nicht nur eine militärische. Die neuerwachten antikolonialistischen Haltungen und Mobilisierungen in der Bevölkerung könnten zu einer Zerrüttung der EU-Kräfte vor Ort führen.

 

 

EUCAP Sahel Niger – Migrationsbekämpfung gescheitert?