„I’m fine, but a little bit unsatisfied with the last agreement, as it brought criminals and genociders to the sovereign council. Hopefully this agreement will not last for long.“

So ein Freund aus Khartoum. Ähnlich skeptisch äußern sich Menschen, die von Ilona Eveleens für die TAZ vom 19.08.2019 befragt wurden:

Am Samstag wurden in Anwesenheit von Regierungschefs aus der Region alle Vereinbarungen für eine gemeinsame Übergangsregierung ratifiziert. Auf den Straßen wurde gefeiert, aber die Freude war etwas gedämpft. […]

Der katholische Bischof Yunan Andali von El Obeid, einer Stadt, in der im vergangenen Monat sechs protestierende Studenten von einer paramilitärischen Gruppe erschossen wurden, misstraut insbesondere weiter dem Militär. „Die Situation ist so fragil, die Zukunft so ungewiss. Dies ist ein Land mit einer langen Geschichte von Staatsstreichen. Hier ist alles möglich.“ […]

Die FCC setzt auf den Ökonomen Abdalla Hamdok als Premierminister. Die Regierung wird aus Zivilisten bestehen, mit Ausnahme der Verteidigungs- und Innenministerien, in denen Militärangehörige die Oberhand haben werden. Mit der Wahl von Hamdok, der unter anderem für die Afrikanische Entwicklungsbank gearbeitet hat, scheint die FCC sich auf die wirtschaftliche Erholung des Landes konzentrieren zu wollen.

Der zivile Aufstand gegen al-Baschir begann im vergangenen Dezember, nachdem die Preise für Brot und Benzin erhöht worden waren. Aufgrund der Demos und Streiks in den letzten neun Monaten kam die wirtschaftliche Entwicklung fast zum Stillstand. Darüber hinaus verfolgte der Militärrat nicht wirklich eine Politik des wirtschaftlichen Aufschwungs. […]

Aber auch die Einheit innerhalb der FCC bröckelt. Das gemeinsame Streben nach einer zivilen Regierung ist teilweise verwirklicht worden – aber jetzt, wo es um die Postenverteilung geht, werden die Spaltungen deutlich. Dabei scheint es Brüche zu geben zwischen den zumeist intellektuellen Führern des Bürgeraufstands in Khartum und den Regionen im Sudan, die sich nicht ausreichend vertreten fühlen.

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Auf Spiegel-Online vom 19.08.2019 ruft Lucia Heisterkamp in Erinnerung, dass es die EU war, die den neuen Starken Mann in Khartoum, Hemedti, mit Millionen unterstützt hat:

46 Millionen Euro hat sich die Europäische Union seit 2015 den Versuch kosten lassen, weniger Migranten aus dem Sudan nach Europa gelangen zu lassen. Dazu wurden unter Leitung der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unter anderem Sicherheitskräfte im Sudan ausgebildet und Ausrüstung für den Grenzschutz bereitgestellt. Das Geld kommt aus einem 4,5-Milliarden-Euro-Fonds zur Migrationskontrolle und Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika, in den Deutschland über 160 Millionen Euro eingezahlt hat.

Nun, im Zuge des seit Monaten schwelenden Konflikts zwischen Militär und Opposition im Sudan, hat die EU das Projekt vorübergehend ausgesetzt. Schon seit März werden keine Ausbildungsmaßnahmen für Sicherheitskräfte mehr durchgeführt, sagte ein Sprecher der Europäischen Kommission dem SPIEGEL. Ein Zentrum für Datenaustausch über Menschenhandel und Menschenschmuggel in Khartum wurde ebenfalls bis auf Weiteres geschlossen. […]

Um auf Druck der EU möglichst viele Flüchtlinge im Land zu halten, setzte die sudanesische Regierung seit 2015 ausrechnet die RSF als Grenzschützer ein. Die Miliz besteht größtenteils aus jenen Dschandschawid-Kämpfern, die in Darfur ganze Dörfer niederbrannten, Männer ermordeten und Frauen vergewaltigten. Vor allem an der Grenze zu Libyen sollte die RSF Migranten aufhalten und festnehmen. Hemedti rühmte sich in der Vergangenheit persönlich damit, im Auftrag Europas zu handeln. „Die EU verliert im Kampf gegen Migration Millionen, deshalb muss sie uns unterstützen“, sagte er etwa dem Fernsehsender Al Jazeera.

Auch wenn am Samstag der Militärrat offiziell abdankte und nun eine Übergangsregierung in Khartum eingesetzt wird: Viele sehen Hemedti nach dem Sturz von Machthaber Baschir als neuen starken Mann im Sudan – auch weil seine Kämpfer die Grenzen kontrollieren. Die RSF ist zwar offiziell der Armee unterstellt, agiert aber de facto autonom und geht immer wieder gewaltsam gegen Demonstranten im Land vor. Unter anderem wird ihr vorgeworfen, für die brutale Niederschlagung eines Protestcamps am 3. Juni verantwortlich zu sein, bei der mindestens 128 Demonstranten getötet wurden. Seit das Militär Baschir nach den Massenprotesten zu Beginn des Jahres entmachtet und anschließend selbst die Herrschaft übernommen hat, fordern die Menschen im Sudan die Bildung einer zivilen Übergangsregierung. Zwar haben Militär und Opposition sich mittlerweile auf eine Machtteilung geeinigt und unlängst auch das Verfassungsdokument unterzeichnet. Viele befürchten aber, dass der Militärrat unter Hemedti die Macht nicht abgeben will.

Brüssel weist die Vorwürfe zurück, Hemedtis Miliz indirekt gestärkt zu haben. „Die EU hat in keiner Weise die RSF oder andere Milizen unterstützt“, sagte ein Sprecher der Europäischen Kommission dem SPIEGEL. Alle Projekte im Sudan würden von den Entwicklungsorganisationen der EU-Mitgliedstaaten durchgeführt, darunter auch die GIZ. Die Aktivitäten seien nur temporär eingestellt worden, bis die Sicherheitslage im Land geklärt sei. Maßnahmen zum Schutz von Migranten unter dem Schirm des BMM-Projekts fänden jedoch weiterhin statt.

Doch so eindeutig ist die Lage laut El Gizouli nicht. Es sei intransparent, wohin die Gelder für die EU-Migrationsprojekte fließen: „Es ist nicht ersichtlich, wie viel Geld für was ausgegeben wird und wer es am Ende bekommt.“

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Schon am 14. Juni hat THM auf drohende Nahrungsmittelknappheit in den peripheren Gebieten des Sudan hingewiesen:

An estimated 5.7 million people are facing food shortages across the country, according to government figures. It was a sharp depreciation of the local currency, hyperinflation and fuel and food shortages that triggered the protests that finally led to the toppling of al-Bashir.
FEWS NET, which provides early warning of hunger and famine, says poor households will face “crisis” conditions – a struggle to cover their minimum food needs – in most areas of Greater Darfur, North Kordofan, South Kordofan, southern Blue Nile, northern Kassala, and Red Sea states through to September.
Displaced people in areas of South Kordofan controlled by the rebel Sudan People’s Liberation Movement-North and the Jebel Marra stronghold of the Sudan Liberation Army-Abdul Wahid will face “emergency” levels of hunger, the US-funded group said.

Zudem wurden aus der Peripherie eine Reihe von ethnisch geprägten Zusammenstößen gemeldet; offenbar schürt die RSF die Ethnisierung sozialer Konflikte:

The western state of Darfur has long been a byword for lawlessness and rights abuses. Since 2003, Khartoum’s scorched-earth campaign against rebels has left between 200,000 and 300,000 people dead and 2.7 million displaced.
Since the fall of al-Bashir, there has been an increase in tensions involving local communities and ethnic militia emboldened by the political situation.
Amnesty International said it had disturbing new evidence, including satellite imagery, of villages destroyed by government forces and allied militias, describing their actions as “war crimes and other serious human rights violations.”
“The lid is off,” one senior aid official commented.
The UN-African Union Mission in Darfur, or UNAMID, confirmed on Thursday the killing of 17 people and the torching of more than 100 houses in the village of Deleij in central Darfur earlier this week.
The violence „occurred during heated clashes between nomads and residents apparently angered by the increase in commodity prices at the local market,” UNAMID said.
The opposition-linked Central Committee of Sudanese Doctors had accused the Janjaweed militia of a “systematic massacre” in Deleij.
Ahead of a UN vote on UNAMID’s future on 27 June, Amnesty International has urged the Security Council not to go ahead with a “premature and reckless” drawdown of peacekeepers who offer the only protection to vulnerable refugees and internally displaced persons in the Jebel Marra area of Darfur.
The rights group condemned the TMC’s demand to hand over vacated bases to the RSF – a demand also firmly rejected by the African Union on Friday.
In eastern Sudan there has also been a sharp rise in violence linked to the political crisis in Khartoum. More than 30 people have reportedly been killed in recent days in “tribal and criminal” clashes in Port Sudan. The fighting between the Beni Amir and the Nuba ethnic groups also spread to the cities of Khashm el-Girba and Kassala.
Local leaders accused Khartoum’s “deep state” of meddling, with the RSF recruiting from among the Beni Amir – a community traditionally supported by Saudi Arabia.

Khartoum nach dem Abkommen