Zahlreiche Stimmen drängen auf eine militärische Beteiligung der EU bei einem UN-Einsatz in Libyen. Neben Italien und Griechenland ist auch Deutschland ein Kandidat – sei es mit Bodentruppen oder bei der Wiederaufnahme der Operation „Sophia“.

Haftar hat unter dem Druck von Putin einen Waffenstillstand eingehalten, zuvor aber die Ölhäfen in Ostlibyen geschlossen. Sowohl er wie auch Sarraj brauchen die Ölgelder, um die verbündeten Milizen bei Laune zu halten. Ohne Vormarsch und Versprechen auf Beute könnte Haftars Koalition rasch auseinander brechen und Ähnliches gilt für die Milizenökonomie in Tripolis, wenn dortige Pfründe in Gefahr kommen.

Libyen ist eine Immigrationsgesellschaft – wesentliche Sektoren wie der Bausektor und die Haushalte der Mittel- und Oberschichten würden ohne Immigrationsarbeit nicht funktionieren. Sollte ein internationaler Militäreinsatz die Grenzen sperren, wäre ein Wiederaufbau kaum denkbar.

Bei den Geflüchteten handelt es sich sowohl um Personen, die es auf den libyschen Arbeitsmärkten versucht haben und deren Lage unsicher geworden ist, wie um Durchreisende. Die Übergänge sind fließend. Eine „Friedenstruppe“ würde die Verantwortung für die Refugees natürlich der libyschen Verwaltung zuschreiben, die ohne ein Arrangement mit den Milizen nicht funktionsfähig ist. Trotzdem könnte diese Truppe Folterlager in ihrem Einflussbereich kaum mehr tolerieren.

Zu den interessantesten Entwicklungen der Berliner Konferenz gehört, dass Außenminister Maas eine Wiederbelebung der Operation „Sophia“ ins Spiel gebracht hat. Ohne eine vergleichbare Operation wäre eine Überwachung des Waffenembargos unmöglich. Damit müsste die EU allerdings auch wieder Verantwortung für die Seenotrettung übernehmen.

„Der EU-Einsatz in Libyen wäre hochgefährlich“

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell fordert bei Außenminister-Treffen die Wiederaktivierung der EU-Militärmission vor Libyens Küste. Ein hoher Brüsseler Diplomat spricht vom „riskantesten Einsatz in der Geschichte der Europäischen Union“.

Nach dem Berliner Gipfel zur Beilegung des Libyen-Konflikts dürften bereits spätestens im Frühjahr wieder europäische Soldaten im Einsatz sein, um Schleuser gefangen zu nehmen, Menschenleben zu retten, und insbesondere um das UN-Waffenembargo zu überwachen. All diese Aufgaben wurden seit 2016 bereits im Rahmen der EU-Marinemission „Sophia“ erledigt.

Seit fast einem Jahr hat „Sophia“ aber keine Schiffe mehr, weil sich die italienische Regierung unter dem damaligen Innenminister Matteo Salvini dagegen wehrte, weiterhin Flüchtlinge aufzunehmen. Damit entfiel automatisch auch die Überwachung des Waffenembargos.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach sich beim Treffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel klar dafür aus, die EU-Militärmission vor der Küste Libyens zu reaktivieren. „Ich denke, wir sollten sie wiederaufleben lassen“, sagte er. Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich offen für einen solchen Schritt. Nach WELT-Informationen ist in der geheimen Sitzung der Außenminister aber auch darüber beraten worden, möglicherweise eine ganz neue EU-Operation auf die Beine zu stellen. Dies würde allerdings deutlich mehr Zeit erfordern als ein neues Mandat für die bereits bestehende „Sophia“-Mission. […]

In den fast drei Jahren von Juni 2016 bis März 2019 hatten es die EU-Soldaten nicht geschafft, Waffen in größerem Stil zu beschlagnahmen. Dabei wird in Brüssel fest davon ausgegangen, dass ausgerechnet das EU-Land Frankreich Waffen zur Unterstützung des libyschen Rebellenführers Chalifa Haftar ins Land geschmuggelt hat. Die meisten Waffen kamen jedoch über die Landgrenze zwischen Ägypten und Libyen, die mehr als 1100 Kilometer lang und schwer zu kontrollieren ist. […]

Klar ist aber: Sollte es tatsächlich einen Friedensprozess in Libyen geben, so werden deutsche Soldaten dort eine wichtige Rolle spielen – in jedem Fall im Rahmen einer EU-Operation und möglicherweise auch im Verbund der Nato. Grundlage eines solchen Einsatzes müsste aber sein, dass sich die Vereinten Nationen dazu entscheiden, „eine Friedensmission einzusetzen“, wie Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte. Teil dieser Mission könnten im besten Fall sogar Russland und China sein. Ein hoher Brüsseler Diplomat sagte: „Der EU-Einsatz in Libyen wäre hochgefährlich und der riskanteste Einsatz in der Geschichte der Europäischen Union. Es gibt rund 150.000 schwer bewaffnete Milizen, die unberechenbar sind.“

Welt | 20.01.2020

:::::

Wird EU-Mission „Sophia“ neu gestartet?

Mit Blick auf die Friedensbemühungen für Libyen sprachen sich mehrere Außenminister heute auch für einen Neustart der EU-Marineoperation „Sophia“ aus. Die Wiederbelebung der Aktion zur Rettung von Migranten in Seenot hatte Bundesaußenminister Maas gestern ins Gespräch gebracht.

Die EU hatte den Marineeinsatz „Sophia“ im vergangenen Jahr eingestellt, weil die Mitgliedsländer sich nicht auf die Verteilung der geretteten Flüchtlinge einigen konnten. Die damalige populistische Regierung Italiens hatte den Abbruch gefordert, weil die Geretteten nach den damaligen Regeln immer nach Italien gebracht wurden. […]

Tagesschau | 20.01.2020

:::::

Neustart von EU-Marineeinsatz?

Die Europäische Union will vorerst keine Soldaten nach Libyen schicken, denkt aber über eine Wiederbelebung der Marinemission „Sophia“ vor der libyschen Küste nach. Dies sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zu Beginn eines Treffens der Außenminister am Montag in Brüssel. Er griff damit einen Vorschlag von Außenminister Heiko Maas (SPD) auf.

Schon kurz nach dem Libyen-Gipfel in Berlin am Sonntagabend hatte Maas gefordert, „Sophia“ zu reaktivieren. Der EU-Einsatz war 2019 auf Druck des damaligen, rechtsradikalen italienischen Innenministers Matteo Salvini eingestellt worden. Er scheiterte auch am Dauerstreit über die Verteilung von Flüchtlingen, die vor der libyschen Küste aufgegriffen wurden.

Allerdings dient „Sophia“ nicht vorrangig der Seenotrettung. Vielmehr geht es darum, Schleusern das Handwerk zu legen – und so die Zahl der Boat People vor der libyschen Küste zu verringern. Dieses Ziel verfolgt auch die libysche Küstenwache. Sie wird von der EU unterstützt, war zuletzt jedoch in die Kritik geraten, weil sie Flüchtlinge zurück in libysche Lager bringt.

In diesen Lagern herrschen Chaos und Gewalt. Menschenrechtler fordern seit Langem, die Lager zu schließen und die Milizen zu entwaffnen, die teilweise auch die libysche Küstenwache unterwandert haben.

Maas: „Wir haben unsere Ziele erreicht“

Unwirsch reagierten Borrell und Maas auf Fragen nach einem möglichen europäischen Militäreinsatz, der den brüchigen Frieden in Libyen überwachen und absichern könnte. Es sei „viel zu früh“, über Soldaten zu sprechen, sagte Borrell. Zunächst gehe es darum, aus der brüchigen Waffenruhe einen dauerhaften Waffenstillstand zu machen, erklärte Maas bei seiner Ankunft in Brüssel.

„Wir haben unsere Ziele erreicht“, sagte der deutsche Außenminister mit Blick auf den Gipfel in Berlin. Ein Anfang sei gemacht, nun müssten die beteiligten Mächte die Vereinbarungen umsetzen. Deutschland wolle auch die EU einbeziehen, betonte Maas. Wie das – abgesehen von „Sophia“ – konkret aussehen soll, blieb jedoch zunächst offen. […]

TAZ | 20.01.2020

:::::

Ohne Öl kein Krieg

Alle Kriegsparteien in Libyen leben von den staatlichen Öleinnahmen. Nun legt der aufständische General Haftar den Export lahm.

Libyens Krieg ist kein Ölkrieg, aber ohne Öl wäre er nicht möglich. Mit einer Förderung von zuletzt 1,23 Millionen Barrel täglich sowie gigantischen, leicht zu erschließenden Reserven in der Wüste gehört Libyen zu den großen Ölförderern der Welt und ist auch für Europa ein wichtiger Lieferant. 20,3 Milliarden US-Dollar – 18,3 Milliarden Euro – verdiente Libyen am Ölexport im Jahr 2019 bis Ende November, das sind rund 400 Millionen Euro pro Woche.

Dieses Geld finanziert den Krieg, legal und alternativlos. Einziger legaler Ölexporteur Libyens ist die staatliche Ölgesellschaft NOC (National Oil Corportation), die in Joint-Ventures mit ausländischen Ölfirmen – ENI aus Libyen, Total aus Frankreich sowie kleinere Partner wie Wintershall aus Deutschland – die Bohrfelder und Pipelines betreibt und auch den Vertrieb raffinierter Ölprodukte im Land organisiert. […]

Alle Milizen auf allen Seiten und alle Kriegsführer leben vom Zentralbankgeld und betreiben ihre Fahr- und Flugzeuge mit NOC-Treibstoffen. Haftar und die mit ihm verbündeten Milizen kontrollieren sämtliche großen Ölfelder des Landes sowie mehrere Ölhäfen, nicht aber die größte Ölraffinerie in Zawiya im Westen Libyens. Der Ölkreislauf schmiedet die Kriegsparteien zusammen: Aus Haftars Gebieten fließt das Öl, über die Regierung fließt das Geld.

Würde jemand diesen Kreislauf unterbrechen, müssten beide Kriegsführer sofort kapitulieren – und Libyen würde vollends im Chaos versinken, weil es dann kein Geld mehr gäbe, wohl aber viele kampferfahrene Menschen mit Waffen. Aber hält man diesen Kreislauf aufrecht, ermöglicht man die Fortsetzung des Krieges. […]

Die Gefahr, dass das Öl zur zweiten Kriegsfront in Libyen wird, ist paradoxerweise durch die Berliner Libyen-Konferenz gestiegen. Am Tag vor der Konferenz blockierten Haftars Truppen in einer koordinierten Aktion die Ölexporthäfen Brega, Ras Lanuf, Al-Sedra und Al-Hariga. Zugleich blockierten mit Haftar verbündete Milizen die Pipeline, die von Libyens größtem Ölfeld El Sherara im Südwesten Landes zum regierungskontrollierten Hafen Zawiya nahe der tunesischen Grenze führt.

Die NOC erklärte umgehend einen Exportstopp aufgrund „höherer Gewalt“. Libyen verliere durch Haftars Blitzmaßnahmen, die 95 Prozent der libyschen Ölförderung lahmgelegt haben, 55 Millionen US-Dollar täglich, warnten die Behörden in Tripolis.

Kein Grund zu Optimismus

Solche Blockaden sind streng genommen kein Verstoß gegen den Waffenstillstand in Libyen, aber sie sind die effektivste Kriegswaffe. Sinn machen sie für Haftar nur, wenn er sich schon überlegt hat, wie er am Öl auf eigene Faust Geld verdienen kann. Dann kann er sich jedem Friedensprozess entziehen. […]

TAZ | 20.01.2020

:::::

Welche Rolle spielen Deutschland und die EU?

[…] Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte vor der Konferenz gesagt, wenn ein nachhaltiger Waffenstillstand vereinbart sei und international abgesichert werden müsse, „wird natürlich auch die Frage kommen, wie soll das geschehen“. Dass sich dann Deutschland „mit der Frage auseinandersetzen muss, was können wir dazu einbringen, das ist vollkommen normal“.

„Europa muss bereit sein, am Friedenseinsatz teilzunehmen“

In der Berliner Erklärung der 16 beteiligten Staaten und Organisationen heißt es, internationale Anstrengungen zur Überwachung des Waffenembargos sollten verstärkt werden. Gefordert wird eine umfassende Demobilisierung und Entwaffnung der Milizen. Verletzungen eines Waffenstillstandes sollen sanktioniert werden. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell könnte am Montag in Brüssel Vorschläge präsentieren, wie die EU die Berliner Beschlüsse unterstützen könnte.

Laut Ratspräsident Charles Michel wird die EU nun prüfen, wie sie am besten zur Umsetzung der Ergebnisse beitragen kann. Dabei gehe es zunächst um die Überwachung der Waffenruhe und des Waffenembargos, teilte Michel am Sonntagabend in Brüssel mit. „Wir sind bereit, unsere Mittel zu mobilisieren, wo sie am meisten benötigt werden“, versicherte Michel. Die EU sei die einzige regionale Organisation, die das Waffenembargo nach 2016 umgesetzt habe, erklärte der Ratspräsident. Zusammen mit ihren Partnern wolle sich die Europäische Union weiter darum bemühen, „alle Korridore zu versperren“, über die das Embargo verletzt werde. […]

Keine Fortschritte bei Rettung von Flüchtlingen in Seenot

Maas hält es auch für nötig, über die EU-Rettungsmission „Sophia“ im Mittelmeer neu nachzudenken. Mit Blick auf die Flüchtlingslager in Libyen sagte er in der ARD: „Ich kann ja nicht sagen, ich halte die Zustände für unmenschlich, und dann befürworten, wenn Leute dahin zurückgebracht werden. Über „Sophia“ werden wir ja sowieso wieder reden müssen.“ Die EU beschränkt sich derzeit bei ihrer Mission auf die Ausbildung der libyschen Küstenwache, hat aber keine eigenen Schiffe mehr vor Ort, die über das Mittelmeer nach Europa strebende Migranten vor dem Ertrinken retten könnten.

Die deutsche Hilfsorganisation Mission Lifeline kritisierte, dass die Konferenz keine konkreten Fortschritte für Flüchtlinge in Seenot gebracht habe. Das „Massensterben im zentralen Mittelmeer“ sei dort kein Thema gewesen, monierten die Dresdner Seenotretter. Das bisherige Waffenembargo werde auch deshalb nicht eingehalten, „weil die EU Schiffe aus dem Mittelmeer zurückgezogen hat, um keine Flüchtlinge retten zu müssen“. […]

FAZ | 20.01.2020

:::::

Libyen-Konferenz: Mit deutscher Fleißarbeit zur Ordnung im Chaos?

[…] Als Tages-Ergebnis der Konferenz verkündete Merkel: „Wir können feststellen, dass alle einig sind, dass wir das Waffenembargo respektieren wollen.“ Dazu gab es noch einen Elementarsatz aus der „Berliner Erklärung“, den Merkel noch einmal herausstellte:

Es kann in Libyen keine militärische Lösung geben.

Ein weiterer Satz Merkels versucht über die Schwäche des Ergebnisses hinwegzugehen: „Wir haben einen sehr verbindlichen Prozess vereinbart“.

Einwohner von Tripolis, die gestern im Nachthimmel Granaten und Drohnen gesehen haben, sind da wahrscheinlich noch skeptisch. Und auch bei deutschen Regierungsmitgliedern ist das Gefühl, dass die Konferenz verbindliche Grundlagen für einen politischen Prozess geschaffen hat, nicht wirklich ausgeprägt. […]

Machtdemonstrationen

Kurz vor der Konferenz zeigten Bilder, dass syrische Milizen in türkischen Flugzeugen nach Libyen gebracht wurden, und es gab die Nachricht, dass Ölhäfen geschlossen wurden und die Produktion in großen Ölfeldern gestoppt wurde.

Aus letzterem entwickelte sich ein Streit zwischen libyschen Beobachtern darüber, inwieweit dies allein auf Haftars Befehlskraft zurückzuführen ist oder auch auf Unzufriedenheiten in Fezzan, der Region im Süden Libyens, deren Stämme nicht unbedingt Anhänger und Befehlsempfänger Haftars sein müssen, aber auf jeden Fall Gegner einer Einmischung von außen.

Telepolis | 20.01.2020

:::::

Why Europe Is Finally Paying Attention to Libya

[…] “There has been a major reawakening of geopolitical interest in Libya,” said Ian Lesser, director of the Brussels office of the German Marshall Fund and an expert on Turkey and the Mediterranean.

“That begins with issues of migration, energy, security and counterterrorism,” he added. “But it is just as much about the geopolitics of relations with Russia and Turkey. If they had not been so assertive, Libya would not have attracted such attention now.”

The new European Union foreign policy chief, Josep Borrell Fontelles, said in an interview with the German weekly Der Spiegel that the bloc could even send troops to safeguard a potential cease-fire, a move that Italy and Greece have already suggested they would be interested in committing troops to.

“If there is a cease-fire in Libya, then the E.U. must be prepared to help implement and monitor this cease-fire — possibly also with soldiers, for example as part of an E.U. mission,” he said. […]

The Libyan mess began with the 2011 overthrow of Col. Muammar el-Qaddafi after intervention by European forces, with American help. Justified on humanitarian grounds, the war produced chaos when those same Western forces largely abandoned energy-rich Libya to warring militias.

Many weapons of the old regime spread all over the sub-Saharan region, feeding other militants and terrorist groups, and producing thousands of refugees and migrants seeking safety in Europe.

Libya remains a major transit and jumping-off point for sub-Saharan Africans hoping to make the crossing to Europe. Since the migration crisis of 2015-16, “the E.U. viewed Libya mainly through the prism of the migration problem,” said Claudia Gazzini, a senior analyst for the International Crisis Group.

Individual European countries, at the same time, pursued their own, divergent interests in Libya, often at cross-purposes.

But the entry of Russian proxies into the conflict last year and, more recently, Turkey’s pledge to send its own forces into the mix, meant Europe could no longer ignore the matter.

It has also made the fissures in the Europeans’ approach to Libya more and more untenable as the civil war turns into a wider playground for outsiders.

NYT | 20.01.2020

:::::

„Eine Art Parallelrealität“

Bei dem Gipfel in Berlin soll ein Weg gefunden werden, den Bürgerkrieg in Libyen zu beenden. Warum die Chancen dafür schlecht stehen, erklärt der Politikwissenschaftler Wolfram Lacher.

SPIEGEL: Am Sonntag beraten mehrere Staats- und Regierungschefs in Berlin über die Zukunft des Bürgerkriegslands Libyen. Werden sie einen Friedensplan beschließen?

Lacher: Die Beschlüsse für einen Friedensplan stehen so gut wie fest, sie sind seit einem Monat ausgearbeitet. Das Problem ist, dass diese Beschlüsse zahnlos sind. Die beteiligten Staaten haben schon viele Male erklärt, dass sie gegen ausländische Einmischung in Libyen und für die Einhaltung des Waffenembargos sind. Gleichzeitig schicken sie weiter Drohnen und Söldner in den Bürgerkrieg. Die Berliner Konferenz findet in einer Art Parallel-Realität zum tatsächlichen Geschehen in Libyen statt.

SPIEGEL: Welchen Inhalt haben die Vereinbarungen im sogenannten Berliner Prozess?

Lacher: Alle Staaten sollen das Waffenembargo einhalten, eine effektive Überwachung und Sanktionen bei Verstößen sind jedoch nicht zu erwarten. Die Beschlüsse sehen zudem vor, dass die beiden Konfliktparteien in Libyen einen Waffenstillstand abschließen. Aber die Konferenzstaaten sind nicht bereit, dafür die nötigen Sicherheiten zu bieten, also eine ernsthafte, auch militärische Abschreckung gegen eine Verletzung des Waffenstillstands. […]

Der Spiegel | 18.01.2020

Zum Libyen-Gipfel in Berlin