Es ist September 2018, der Jahrestag der Beschlagnahmung liegt hinter uns, und wir wollten uns nochmal gemeldet haben bevor uns die globale Erderwärmung alle dahin rafft und die Menschheit sich wünscht, Migration sei ihr größtes Problem gewesen.

Einige Spitzel der identitären Bewegung, ein verdeckter Ermittler und unzählige abgehörte Telefonate später befinden wir uns nunmehr mitten in einer Repressionsmaschinerie, deren Beginn bereits über zwei Jahre zurück liegt. Nachdem systematisch erst NGOs im allgemeinen diskreditiert, kriminalisiert und unsere Schiffe nach und nach aus dem Verkehr gezogen wurden, geht es jetzt darum, durch strafrechtliche Verfolgung Einzelner all diejenigen einzuschüchtern die es noch wagen sich mit Menschen auf der Flucht zu solidarisieren und direkt in die Konflikte einzugreifen.

Es steht mittlerweile fest: offiziell ermittelt die italienische Staatsanwaltschaft in Trapani gegen zehn IUVENTA Crewmitglieder. Unter anderem auch im Visier derselben Staatsanwaltschaft befinden sich Angestellte von Ärzte ohne Grenzen und Safe the Children der Schiffe Vos Prudence und Vos Hestia.

  • Vorwurf: Beihilfe zur illegalen Einwanderung.
  • Strafmaß: 5 bis 15 Jahre Haft, in Einzelfällen bis zu 20 Jahre + 15.000 Euro Geldstrafe pro illegal eingereister Person

Ja genau, ihr habt richtig gerechnet: 15.000 Euro mal 14.000 Gerettete macht 210 Millionen Euro Geldstrafe pro angeklagter Person … oder so … wir wissen nicht genau wie Mathematik auf italienisch geht. Vielleicht bekommen wir Mengenrabatt.

Und obwohl derzeit eine U-Haft laut Anwälten eher unwahrscheinlich ist, so ist fortan unser Handlungsspielraum doch dahingehend enorm eingeschränkt, dass wir in naher und fernerer Zukunft an keinen Rettungsmissionen teilnehmen dürfen. Eine „Wiederholungstat“ würde die Konsequenz einer Verhaftung wahrscheinlicher machen.

Doch all das soll uns nicht davon ablenken, um was es hier eigentlich geht!

Faschistische Politik wird mit juristischen Mitteln durchgesetzt, um den Weg für eine Europäische Union zu ebnen, die sich tagtäglich an menschenrechtsverletzenden Straftaten beteiligt. Während Verteidigerinnen von eben jenen Werten und Rechten auf die sich die EU beruft, in fast allen Ländern Europas an ihrer Arbeit gehindert, kriminalisiert und inhaftiert werden, sterben auf dem Mittelmeer weiterhin jene Menschen, zu deren Rettung wir zumindest teilweise beitragen könnten.

Aber vermutlich wisst ihr all das schon … mehr als euch lieb ist. Wir müssen euch vermutlich nicht erklären welcher Repression jede einzelne der NGOs mit denen die meisten von uns auf die eine oder andere Weise gearbeitet haben, ausgesetzt sind. Wir müssen euch nicht erzählen welchen menschenverachtenden Maßnahmen Geflüchtete ausgesetzt sind – fast überall. Eigentlich schreiben wir euch nur um an einer Tatsache keinen Zweifel zu lassen:

Wir lassen uns nicht einschüchtern …

… wir geben nicht auf!

Dafür brauchen wir euch – alle.

Ein kleiner Rückblick was den Sommer über geschah

IUVENTA sucht den SUPERanwalt: Nach einem kurzen Moment der Schockstarre, ein bißchen Schnaps und der darauf folgenden Besinnung, dass das eigentlich alles andere als unerwartet kam, klemmten wir uns dahinter gute Anwälte in Italien zu finden, die einem derart politisch geladenen Verfahren gewachsen sind. Mittlerweile haben wir sie gefunden.

Nicola Canestrini, Strafverteidiger, verteidigt seit vielen Jahren Menschen in politischen Verfahren u.a. in Genua 2001. In jüngster Vergangenheit beschäftigte er sich nicht nur mit der Kriminalisierung von Solidarität, sondern auch mit dem Fall Iuventa – bis dato ohne uns zu kennen. Alessandro Gamberini, Strafverteidiger, kämpfte schon in den 70ern auf der Seite der Kommunistinnen in Italien, verteidigt außerdem die Crew von Pro Activa und hat anfang des Jahres für eine rasche Freigabe der Open Arms gesorgt.

Wir haben uns in persönlichen Treffen davon überzeugen können, dass wir mit ihrer Hilfe die italienische Justiz und ihre Drohgebärden zum Teufel jagen werden. Läuft.

Die Suche nach Anwälten geht jedoch weiter, denn z.B. im Falle eines europäischen Haftbefehls brauchen wir außerdem Anwälte in Deutschland, bzw. Schottland, Spanien, Portugal.

IUVENTA sucht den SUPERnerd: Im Zuge des Ermittlungsverfahrens soll der Staatsanwaltschaft Zugriff auf die letztes Jahr beschlagnahmten Geräte verschafft werden. Wir freuen uns sehr über die schnelle und unkomplizierte Zusammenarbeit mit Amnesty International, die uns bei der technischen Auslesung unserer beschlagnahmten Laptops und Telefone einen IT-Techniker zur Seite stellen wird, der nicht nur kampferprobt ist, sondern auch in internationalem Recht promoviert hat. Läuft.

Während der mediale Shitstorm in Italien nicht abbricht, formt sich in Deutschland ein zunehmend breiter bürgerlicher Widerstand. Das war längst überfällig und wir wünschen uns, dass dieses Momentum erhalten bleibt. Zu den Seebrücke Demonstrationen am 02.09. in Hamburg und Berlin waren wir vor Ort. Weil wir nicht immer selbst dabei sein können, hatten wir vor einiger Zeit ein kleines Demo Paket zusammen gestellt, das euch auch schon von Jugend Rettet weitergeleitet wurde. Für alle, die es nicht erreicht hat: hier findet ihr eine Druckvorlage für den Flyer, sowie Audio- und Textdateien unseres Redebeitrags für eure lokalen Demos.

Was auf uns zukommt

In Gesprächen mit Kollegen der Cap Anamur und unseren Anwälten wird klar: es liegt ein langjähriger und sehr kostspieliger Prozess vor uns, in dem es um nichts weniger geht, als die Freiheit von Hendrik, Zoe, Dariush, Pia, Miguel & Miguel, Laura, Uli, Sascha und Kathrin !

Eigentlich überflüssig zu erwähnen – es betrifft nur wenige, aber gemeint sind alle.

Wir sind bereit zu kämpfen… für unsere Freiheit, gegen die Kriminalisierung von Seenotretterinnen. Wir sind bereit zu kämpfen … für sichere Fluchtrouten und sichere Häfen, für das uneingeschränkte Recht auf Asyl und gegen das Ignorieren und außer Kraft setzen der Genfer Flüchtlingskonvention und internationalen Abkommen zur Seenotrettung.

Wir machen weiter..! Macht ihr mit? Ja…? Sehr geil…! alleine is nämlich doof.

An dieser Stelle erstmal ein ober monster fettes DANKESCHÖN (!!) an die Crewmitglieder und UnterstützerInnen, die dafür Sorge tragen, dass einige wenige von uns es sich leisten können weiterhin Vollzeit an den Ermittlungsverfahren zu arbeiten. Ihr haltet uns den Rücken frei! Wir setzen fort, was wir angefangen haben. Wir arbeiten durchgehend zusammen mit Jurist*Innen und Berater*innen um unsere Verteidigung vorzubereiten, aber auch daran mit unserem Fall politisch Druck auszuüben. Ihr seid großartig.

Spätestens jetzt fragen sich wahrscheinlich einige von euch: ‘Apropos Geld, wird das nicht überhaupt alles sehr viel kosten?‘ Ja, … um kein Blatt vor den Mund zu nehmen: es wird scheiße teuer … sechs-stellig und das vermutlich mehrfach.

Jugend Rettet unterstützt uns natürlich finanziell so gut sie können und trotzdem deckt das momentan nicht komplett das was auf uns zu kommt.

Wir brauchen Unterstützung. Seien es dezentrale Spendenkampagnen, Spendendosen von Veranstaltungen, Soli-Tresen Einnahmen aus der Cocktailbar oder die Beute eures letzten Banküberfalls … wir sind uns für nichts zu schade, aber für alles dankbar!

Momentan stehen uns zwei Spendenkonten zur Verfügung, auf die mit dem Verwendungszweck IUVENTA überwiesen werden kann.

Rote Hilfe Berlin e.V.
IBAN: DE55 4306 0967 4007 2383 17
BIC: GENODEM1GLS

Borderline Europe e.V. (hier gibt’s auf Anfrage auch Spendenbescheinigungen)
IBAN: DE11 4306 0967 4005 7941 00
GLS Bank

Wenn es hart auf hart kommt, glauben wir, gibt es nur einen Ort an dem wir am sichersten sind – in der Öffentlichkeit. Ende Juli veröffentlichten wir unsere erste Pressemitteilung gefolgt von einem kleinen Schwung medialer Berichterstattung.

Das kann’s nicht gewesen sein, sagt ihr? Denken wir auch. Wir wünschen uns natürlich sehr und arbeiten an breiterer medialer Präsenz. Jedoch verhält es sich nun mal so, dass während wir das mit der Seenotrettung ganz gut hinbekommen haben, wir absolute Nulpen in der Medienabteilung sind.

Nichtsdestotrotz, wir geloben feierlich, wir gehen auch weiterhin Spiegel, ZDF & Co so richtig auf’n Zeiger, um allen die es interessiert oder auch nicht, diese Ungerechtigkeit ins Gesicht zu schreien.

Langsam aber sicher stellen wir ein kleines Team für die Betreuung der sozialen Medien und die Durchführung einer größeren Fundraising Kampagne zusammen. Dabei freuen wir uns derbe über die Unterstützung von Patrick, Paul und Monchi !! Um es in euern Worten zu sagen: wir feiern euch.

Nächste Woche Dienstag, 25. September läuft der Film IUVENTA in den italienischen Kinos an. Zu diesem Auftakt organisiert der Filmemacher Michele eine Pressekonferenz in Rom, an der wir an der Seite unserer Anwälte teilnehmen.

Parallel versuchen wir so oft es geht weiterhin Einladungen zu Veranstaltungen, Vorträgen und Redebeiträgen auf Demos nachzukommen.

Auf folgenden Großdemonstrationen werden wir vor Ort sein und jeweils auf den Abschlusskundgebungen sprechen:

  • Samstag, 29.09. – in Hamburg – ‚Welcome United‘
  • Mittwoch, 03.10. – in München – #noPAG & #ausgehetzt
  • Samstag, 13.10. – in Berlin – #unteilbar

Wir freuen uns drauf manche von euch dort zu treffen.

Wie ihr uns unterstützen könnt

Demnächst am Start sein wird etwas umfangreicheres Infomaterial mit Texten, Flyern, Postern und Schlecktattoos, das wir auf Anfrage dann gerne an euch verschicken. Wir freuen uns wenn ihr auf Veranstaltungen, Demos, Infoabenden dieses wichtige Thema weitertragt!

Wir sind offen und dankbar für Unterstützung in der Öffentlichkeitsarbeit – Team SM* sucht leidensfähige Menschen mit diversen Talenten: Texte schreiben, Graphiken bearbeiten, Filme drehen & schneiden, Soziale Medien bespaßen … oder vielleicht ist es auch der Kontakt zu einer talentierten Person in euerm Dunstkreis, der endlich zum ersehnten Durchbruch führt.

* social media

Falls Ihr in Kontakt zu Geretteten steht, an deren Rettung die Iuventa beteiligt war, bitte stellt einen Kontakt zu uns her. Dies ist für uns und unseren Prozess von großer Bedeutung.

Selbstverständlich brauchen wir außerdem sofort all euer Geld – wahlweise könntet ihr auch Soliveranstaltungen organisieren, in der Fußgängerzone jonglieren gehen oder die Spielhalle um die Ecke ausräumen. Ungeil wäre, wenn ihr euch bei etwaigen krummen Nummern erwischen lasst, weil wenn wir alle im Knast sitzen ist auch niemandem geholfen. Naja, außer ihr habt euch bei einer Sitzblockade vor der italienischen Botschaft oder dem internationalen Seegerichtshof wegtragen lassen. Dann wären wir monstermäßig stolz auf euch!

Und is klar: wenn ihr andere Ideen habt, darüber quatschen oder euch treffen wollt: meldet euch gerne iuventa@solidarity-at-sea.org. Auch über Fanpost und Kehrpakete freuen wir uns sehr.

Solidarität ist eine Pflicht – kein Verbrechen !

Hochachtungsvoll,

eure IUVENTA Crew

Iuventa NGO-Rettungsschiff – Solidarität!