Bei der Mittelmeerüberfahrt von Migrant*innen und Geflüchteten bieten Schlepper inzwischen andere Arten von Schleusungen an. Neben der Überfahrt mit Schlauchbooten ist das der sogenannte Mutterschiff-Trick, den vor allem Schlepper aus Libyen benutzen, berichtet die tagesschau.

Dabei werden Migrant*innen zuerst unter Deck eines größeren Schiffes versteckt, welches dann in die Nähe italienischer Hoheitsgewässer fahre. Dort werden die Menschen auf „mehrere kleine Holz- oder Kunststoffboote“ verteilt, die zuvor vom Mutterschiff mitgebracht worden waren. Mit den kleineren Booten steuerten die Migrant*innen auf die italienischen Gewässer zu, in der Hoffnung, das Festland direkt zu erreichen oder zumindest von der italienischen Küstenwache in einen italienischen Hafen gebracht zu werden.

Darüber hinaus werde vermehrt die Methode des Jacht-Transfers eingesetzt, allerdings eher von Schleppern, die von der Türkei und Griechenland aus operierten. Migrant*innen und Geflüchtete werden in den Kabinen von Segelschiffen versteckt, um so unentdeckt von der Küstenwache nach Europa zu gelangen. Der Preis für diese Form der Überfahrt liege bei 10.000 Dollar.

Die Schlepper reagieren damit, so der Beitrag, sowohl auf die rigorosen Hafenschließungen Italiens als auch auf die Abwesenheit von privaten Rettungsorganisationen im Mittelmeer. Der angebliche Kampf der EU gegen die Schlepper erweist sich so indirekt als Konjunkturprogramm für sie. Auch wenn die Methoden sicherer klingen als es Schlauchboote sind, bleibt die Überfahrt, auch wegen der fehlenden Präsenz von Rettungsorganisationen, ein tödliches Glücksspiel.

Allein in den zwei Wochen, in denen die „Sea-Watch 3“ außerhalb der Hoheitsgewässer vor Lampedusa lag, sind laut offiziellen Zahlen des italienischen Innenministeriums 312 Menschen über das Mittelmeer ins Land gekommen – sechs Mal so viele, wie zu Beginn auf der „Sea-Watch 3“ waren.

Federico Fossi vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, in Rom unterstreicht: „In Wirklichkeit gehen die Anlandungen weiter. Sie sind nicht sichtbar. Aber es gibt sie in großer Zahl, vor allem auf Lampedusa, aber auch auf der östlichen Route, von Griechenland und der Türkei aus, dann vor allem nach Kalabrien und Apulien.“ […]

Das UNHCR beobachtet seit einigen Wochen, dass die Menschenschlepper ihre Strategien verändern, nicht zuletzt in Libyen. Die Schlepper reagieren unter anderem auf die rigorose Linie der italienischen Regierung, so Fossi weiter: „Das Schließen der Häfen führt dazu, dass die Schlepper jetzt verstärkt Methoden nutzen, die es den Passagieren erlauben sollen, direkt ins Zielland zu kommen, ohne abgefangen zu werden.“

Eine der Methoden, auf die die Schlepper dabei verstärkt setzen, ist der sogenannte Mutterschiff-Trick. Er wurde vor einigen Jahren schon von Ägypten aus genutzt, neuerdings – in etwas veränderter Form – verstärkt von den Schleppern in Libyen.

Der Trick besteht darin, zunächst die Flüchtlinge (meist sind es mehr als hundert) unter Deck eines etwas größeren Schiffes zu verstecken und mit diesem Schiff, auf dem von außen keine Flüchtlinge zu sehen sind, von Libyen unentdeckt in die Nähe der italienischen Hoheitsgewässer zu fahren. Dort werden die Menschen dann meist in mehrere kleine Holz- oder Kunststoffboote gesetzt, die das Mutterschiff mitgeführt hat. In diesen erreichen sie dann die italienische Küste – oder werden zumindest in italienischen Gewässer von der Küstenwache abgefangen, die sie dann in einen italienischen Hafen bringen muss. […]

Aktuell werden – außer mit der neuen alten Methode der Mutterschiffe – Flüchtlinge und Migranten auch mit Jachten nach Italien geschleust. Auch hier haben die Küstenwachen große Schwierigkeiten, aktiv zu werden: „Die Flüchtlinge werden in Kabinen von Segelschiffen versteckt. Dies ist schwer zu entdecken, weil diese Boote sozusagen getarnt sind zwischen den vielen anderen Segelbooten, die im Sommer auf dem Mittelmeer unterwegs sind.“ Die Jacht-Methode wird laut UNHCR vor allem von Schleppern genutzt, die von der Türkei und von Griechenland aus operieren. Für derartige Überfahren, heißt es aus anderen Quellen, müssen die Migranten teilweise mehr als 10.000 Dollar zahlen. Für Fahrten aus Libyen werden den Menschen 3000 Dollar und mehr abgenommen.

tagesschau │ 30.06.2019

Mittelmeer: Neue Schleusermethoden