Am vergangenen Samstag haben bewaffnete libysche Bootseinheiten vor Boat-people und dem Rettungssschiff „Alan Kurdi“ der deutschen NGO „Sea Eye“ nahe der westlibyschen Küstenstadt Zuwara in die Luft und ins Wasser geschossen. Der Angriff hätte vielen Boat-people das Leben gekostet, wenn sie nicht kurz zuvor von den Retter*innen Schwimmwesten erhalten hätten. Am Folgetag absolvierte der deutsche Außenminister Heiko Maas einen dreistündigen Regierungs-Besuch in derselben Küstenstadt, um Details für eine Libyen-Konferenz in Berlin im kommenden November oder Dezember abzusprechen. Kurz zuvor hatte der libysche Präsident der UN-installierten Einheitsregierung Es-Sarraj den Chef der sogenannten libyschen Küstenwache von Zawiya auf Druck aus der UNO zur Fahndung ausgeschrieben. Die UNO hatte diesen Chef und mehrere aus seiner Milizen-Entourage 2017 auf die Terrorliste gesetzt, aber kurz danach transformierte der damalige italienische Innenminister ihn zum lokalen Chef der EU-geförderten sogenannten (west-)libyschen Küstenwache und eines der berüchtigsten EU- und UN-geförderten Internierungslagers in Libyen.

Außenminister Maas betonte in Zuwara, dass die deutsche Libyen-Konferenz den Segen des UN-Sicherheitsrats erhalten habe. Faktisch versucht die deutsche Regierung möglicherweise, die italienische Libyenpolitik deutlicher zu bestimmen. Staatsschef Sarraj erwiderte dem deutschen Außenminister, er hoffe, dass nicht alte Fehler wiederholt würden. Der Regierungsbesuch des deutschen Außenminister endete in Tumult und überstürztem Aufbruch. Ruppige Security-Leute und Gerüchte über drohende Airstrikes bewirkten Chaos. 

[…] Unmittelbar vor der Reise kam es kurz vor der libyschen Küste bei Suara [Zuwara] zu einem Zwischenfall mit dem deutschen Rettungsschiff „Alan Kurdi“. Am Samstag sei es bei der Rettung von Migranten im Mittelmeer von drei libyschen Schiffen bedrängt worden, sagte ein Sprecher der Hilfsorganisation Sea-Eye. Maskierte hätten Warnschüsse in die Luft und ins Wasser abgegeben. Viele Migranten seien in Panik ins Wasser gesprungen, auch sie seien mit Maschinenpistolen bedroht worden. 91 Personen seien gerettet worden, ein Mann gelte als vermisst. Die libysche Küstenwache wies die Anschuldigungen zurück. Der Vorfall ereignete sich laut Sea Eye vor der Küste von Suara [Zuwara].

„Es ist bemerkenswert, dass der deutsche Außenminister genau in der Stadt ist, von der die aggressiven Küstenwächter gesendet worden sind“, sagte Sea-Eye-Sprecher Gorden Isler der Deutschen Presse-Agentur weiter. „Wir würden uns wünschen, dass unser Außenminister nicht nur mit den Leuten redet, die uns bedrohen, sondern auch mit uns.“ Es gebe Anzeichen, dass es zwischen Küstenwächtern, Milizen und Menschenhändlern „große personelle Überschneidungen“ gebe. […]

Morgenpost | 27.10.2019

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Video von der „Alan Kurdi“: „Die haben gerade in die Luft geschossen“

Aktivisten mit erhobenen Händen, Migranten, die um ihr Leben schwimmen und Angreifer mit Maschinengewehr: Video-Ausschnitte zeigen, wie die Crew der „Alan Kurdi“ am Samstag bei einer Rettungsmission bedroht wurde. […]

FAZ | 28.10.2019

 

Seenotrettung und EU: Schüsse vor den Bug