Weil die Mittelmeerroute nach Europa streng überwacht wird, versuchen immer mehr Afrikaner, die Kanaren zu erreichen. Doch die Inselgruppe ist mit deren Aufnahme überfordert. Und in der Bevölkerung wächst Widerstand.

Die Kanarischen Inseln erleben derzeit eine breite Flüchtlingswelle. Allein von Samstag bis Montag kamen gut 2200 Migranten in 58 offenen Holzbooten auf den spanischen Urlaubsinseln im Atlantischen Ozean an. So viele Menschen aus afrikanischen Ländern wurden zuletzt während der Flüchtlingskrise 2006 registriert, meldete die Nachrichtenagentur Europa Press. Die meisten Migranten gingen in der Hafenstadt Arguineguin im Süden von Gran Canaria an Land. Dort platzt das Aufnahmelager des Roten Kreuzes aus allen Nähten. Mehr als 1.500 Menschen teilen sich ein Dutzend Duschen und Dixi-Klos. Viele Ankömmlinge müssen zunächst auf dem Steinboden der Hafenmole schlafen.

Die meisten Migranten kamen zuletzt hauptsächlich aus Marokko, dem Senegal, Mauretanien und Mali. „Die Mittelmeerroute ist mittlerweile gut überwacht, und die westafrikanischen Länder haben wegen der Corona-Pandemie die Rückführungsabkommen mit der EU ausgesetzt. So wollen immer mehr Menschen über die Kanaren Europa erreichen“, erklärt Jose Antonio Rodriguez, Notfall-Einsatzleiter des Roten Kreuzes.

In diesem Jahr erreichten bereits 14.500 Ankömmlinge aus Afrika die spanischen Atlantik-Inseln – neunmal mehr als 2019. Die meisten werden von der spanischen Seenotrettung vor Gran Canaria entdeckt und nach Arguineguin gebracht. Hier empfängt sie das Rote Kreuz. Einige haben Schnittwunden, Verbrennungen oder leiden an starker Dehydrierung nach der tagelangen Überfahrt. […9

DW | 12.11.2020

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Statt Touristen landen dieses Jahr Bootsmigranten auf den Kanarischen Inseln – ein Besuch vor Ort

Über 15 000 Bootsmigranten sind in diesem Jahr bisher auf den Kanarischen Inseln angekommen. Manche Einheimische fühlen sich überrollt.

Ndeye Sagna ist erschöpft, aber glücklich. Vor zwei Wochen kam die 28-jährige Senegalesin auf der Kanareninsel Fuerteventura an. Die letzte Etappe ihrer Reise legte sie in einem Boot mit einem Dutzend anderen Migranten zurück, das von der marokkanischen Küste startete. Sie gehört zu den wenigen Frauen, die die Überfahrt wagen – die grosse Mehrheit der Migranten sind noch immer Männer. Wie sie auf das Boot kam, wie viel sie den Schleppern bezahlte, darüber will sie keine Auskunft geben. Lieber erzählt sie von ihrem sechsjährigen Sohn, den sie in der Region Casamance bei ihrer Tante zurückgelassen hat. […]

NZZ | 16.11.2020

 

„Kanarische Inseln ziehen immer mehr Migranten an“